"Genau der richtige Weg"

Interview: Markus Riedl

DATEV hat sich entschieden, konsequent den Weg in Richtung Cloud zu gehen. Viele Mitglieder und Kunden fragen sich: Was bedeutet es eigentlich, „in die Cloud zu gehen“? DATEV-CTO Prof. Dr. Christian Bär spricht über die Gründe, Zeiträume und den Faktor Sicherheit.

Porträtfoto von DATEV-CTO Prof. Dr. Christian Bär

Welche Strategie verfolgt DATEV? Wo liegen die Herausforderungen? Und kann man das alles nicht auch anders machen? Zum Weg in die Cloud gibt es viele Fragen. Prof. Dr. Christian Bär bezieht in klaren Worten Stellung.

DATEV magazin: Welche Strategie liegt dem „Weg in die Cloud“ bei DATEV zugrunde?

Prof. Dr. Christian Bär: Die Strategie haben wir schon vor einigen Jahren entworfen. Im Jahr 2018 war es für uns einmal mehr, wie auch bei unserer Strategie insgesamt, der entscheidende Ausgangspunkt, dass wir eine Genossenschaft sind und immer für den Berufsstand handeln. Das führte dann zu der speziellen Ausprägung unserer Strategie. Ich will es mal so sagen: Wenn man sich die großen Player auf dem Markt anschaut, sieht man: Technisch ist das alles sehr gut. Aber die Anforderungen des Berufsstandes sind dort nicht im Fokus. Lassen sie mich zwei Punkte beispielhaft rausstellen, warum wir den Weg in eine Private Cloud gehen.

Erstens: Wir gehen sehr verantwortungsvoll mit den Daten um, die uns anvertraut werden. Wir treiben seit unserer Gründung 1966 kein Schindluder damit. Wenn wir Daten nutzen, dann nur, um bessere Produkte für unsere Kunden zu entwickeln. Das schaffen wir nur, wenn wir die Kontrolle über die Infrastruktur und Ressourcen in unserer Private Cloud haben. Das ist die erste wichtige Botschaft.

Und zweitens: Eine Public Cloud ist eine öffentliche Infrastruktur, sie ist nicht völlig unabhängig in der Welt. Das wird oft vergessen. Mit unserer Private Cloud können wir uns auf die Dinge konzentrieren, die unserem Berufsstand echten Mehrwert bringen. Für uns als Genossenschaft ist das genau der richtige Weg. Große Firmen auf dem Markt, die keine Genossenschaften sind, gehen teilweise ebenfalls den Weg der Private Cloud – und das eben auch, weil sie bestimmte Daten nicht an Dritte weitergeben wollen, die diese frei nutzen oder verkaufen könnten. Die Beweggründe sind hier also ähnlich. Wir wollen unseren Datenschatz für unseren Berufsstand nutzen.

Gibt es eigentlich eine Alternative zum Weg in die Cloud? Immer wieder fragen Mitglieder und Kunden, warum das überhaupt nötig ist und was es bringt – aus DATEV-Sicht und aus Mitgliedersicht.

Ich vermeide grundsätzlich das Wort „alternativlos“. Es gibt immer Alternativen, aber es ist eine Frage des Preises, den man dafür zahlt. Mit Blick auf uns als DATEV glaube ich tatsächlich, dass es keinen Weg außer der Cloud gibt, bei dem ich bereit wäre, den Preis dafür zu zahlen – und dieser bemisst sich nicht immer in Euro. Es geht dabei einerseits um die Geschwindigkeit, mit der Produkte entwickelt werden, um Mehrwert für die Kunden zu schaffen. In einer On-Premises-Welt sind schnelle Entwicklungszyklen schwierig machbar, da man an feste Release-Zyklen gebunden ist. Man muss auf die festen Release-Termine warten, weil alles zu einem bestimmten Punkt fertig sein muss. Die Qualitätssicherung ist zudem komplexer, und man kann Weiterentwicklungen nicht kontinuierlich ausspielen, Stichwort Continuous Delivery. Das dauert dann alles länger und macht es schwieriger, Mehrwert für die Kunden zu generieren. Viele neue Technologien, wie beispielsweise KI, können zudem ohne Cloudtechnologie nicht genutzt werden. Ein ebenso wichtiger Punkt ist letztlich die Sicherheit und das schnelle Beheben von Problemen. In der Cloud geht das viel schneller und besser als bei On-Premises-Lösungen.

Ist das Argument, dass man als Kunde in der Cloud technisch noch abhängiger von DATEV wird, von der Hand zu weisen? Besonders wenn es zu Störungen im Rechenzentrum kommt?

Ich glaube, das mit der Abhängigkeit muss man differenziert betrachten. Neben DATEV gibt es weitere Abhängigkeiten, wie die Netz- und Bandbreitenfunktion und das Rechenzentrum. Die Abhängigkeit von DATEV erhöht sich letztlich auch nicht wesentlich, je nachdem, ob man das Rechnungswesen On-Premises oder in der Cloud nutzt. Es besteht immer eine gewisse Abhängigkeit vom jeweiligen Anbieter, das ist nicht nur bei DATEV so.

Die Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit unseres Rechenzentrums ist allerdings natürlich wichtig, und solche Abhängigkeiten steigen auch deutlich an. Dieses Gefühl der Abhängigkeit ist daher auch nachvollziehbar. Deshalb legen wir großen Wert auf Verfügbarkeit und die Reduzierung von Ausfällen. Auch kurze Ausfälle, zum Beispiel von 15 Minuten, stören die Kunden, das ist uns absolut bewusst. Deshalb ist die hohe Verfügbarkeit ein Schwerpunkt. Das alles wäre allerdings nicht anders, wenn man zu einem anderen Anbieter geht. Jeder Anbieter geht langfristig in die Cloud, das ist kein DATEV-Spezifikum. Wir haben gute Gründe für diesen Weg, und andere Anbieter sehen das genauso.

DATEV geht in die Cloud. Wie lange dauert das? Von welchem Zeitrahmen sprechen wir?

Lassen Sie mich hier ein wenig anekdotisch von meinen zahlreichen Kontakten und Gesprächen mit unseren Mitgliedern und Kunden berichten. Sie fragen mich oft, was sie in den nächsten zwölf bis 15 Monaten erwarten können – und das dann konkret und verbindlich. Sie wollen wissen, welche Probleme DATEV in diesem Zeitraum löst. Ich zeige ihnen dann gern, an welchen Themen wir bis nächstes Jahr arbeiten, weil die Kunden zwei Dinge wissen wollen: Welches Problem löst ihr sofort? Und was kommt in einem größeren zeitlichen Rahmen, wofür es sich lohnt, länger zu warten? Und so stehen auf längere Sicht auch diese Themen im Fokus in Gesprächen mit Kunden. Mir ist wichtig, dass sie wissen, was kommt, womit sie rechnen und worauf sie sich verlassen dürfen.

Beim Rechnungswesen beispielsweise sind wir bereits mit vielen Modulen in der Cloud. Unternehmen online ist cloudbasiert, SEPA-Mandatsverwaltung war schon immer Cloud. Die Kunden merken oft gar nicht, wie viele Anwendungen schon in der Cloud betrieben werden. Im Lohnprozess ist der Prozess zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komplett Cloud-native. Es ist also im Moment in dieser hybriden Übergangsphase eine Mischung, von der der Kunde aber nicht unbedingt immer etwas mitbekommt – und das ist auch gut so, denn das muss und darf für den Kunden keine Rolle spielen.

Wir entwickeln auf dem Weg in die Cloud immer modular, sodass die Auswirkungen auf den Einzelnen verträglich sind und nicht alles Alte auf einmal wegfällt und alles Neue auf einmal da ist. Einen „Big Bang“ machen wir nicht, das wäre weder verträglich noch umsetzbar. Die nächsten zwölf bis 15 Monate sind konkret und verbindlich. Danach gibt es die längerfristigen Themen. Wichtig ist gerade, aber nicht nur in der Übergangsphase, dass DATEV stetig Wert liefert, alles stabil läuft und die Kunden sauber mit unseren Produkten arbeiten können.

Was sind die großen Herausforderungen für die Kunden auf dem Weg in die Cloud? Worauf müssen sie sich einstellen?

Es tut sich generell technologisch sehr viel, Pläne müssen oft auch angepasst werden, um sich auf neue Gegebenheiten einzustellen – und es kommen ständig neue Herausforderungen hinzu, sowohl technischer als auch fachlicher Art, auch durch politische Veränderungen in Berlin oder Brüssel. Das ist und wird nicht einfach, aber wir bewältigen das, besonders mit Blick auf die technischen Beschleunigungen. Diese Herausforderungen sind gleichzeitig nämlich auch Chancen, um schneller zu werden. Wenn ich etwa sage, wir müssen hochschalten, meine ich, dass wir die technischen Möglichkeiten konsequent und schnell nutzen müssen.

Für die Kunden wird sich dadurch etwas ändern, weil sich die Prozesse ändern werden. Wir werden nicht die Prozesskette von vor 20 Jahren einfach in die neuen Produkte übernehmen. Es werden neue Prozesse geschnitten und entstehen, an die sich die Kunden gewöhnen und die sie erlernen müssen. Diese neuen Prozesse sollen, und das ist die zentrale Botschaft, von Anfang an Mehrwerte in den Kanzleien bei den Anwenderinnen und Anwendern bieten. Weniger Klicks, mehr Automatismen, bessere Chancen und schnellere Möglichkeiten, die IT und deren rasante Fortschritte für sich zu nutzen – dafür steht die Cloud. All das, was ich skizziert habe, tun wir, um Effizienz zu gewinnen, den Berufsstand zu unterstützen und letztlich auch ganz konkreten Problemstellungen wie dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Denn wie ich eingangs ausgeführt habe: Der Startpunkt der Strategie war, dass wir eine Genossenschaft des Berufsstands sind – und diese Tatsache leitet uns auch auf unserem Weg in die Cloud.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Weg in die Cloud unter go.datev.de/portfolioentwicklung

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