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Firmeninsolvenzen
Von Dr. Christian Frank und Tibor Reischitz
Die Zahl der Unternehmen in Schieflage ist aktuell so hoch, wie schon lange nicht mehr. Daher lohnt es sich, einen Blick auf die Ursachen, Auswirkungen, aber auch Lösungswege zu werfen. Denn es ist dringend erforderlich, dass unsere Wirtschaft – pauschal gesehen – wieder die Kurve bekommt.
Auch wenn längst nicht die Insolvenzzahlen der Finanzkrise 2008 und 2009 erreicht sind, mussten im Jahr 2024 bei der Zahl der Unternehmensinsolvenzen Höchststände verzeichnet werden, wie sie seit der Corona-Krise nicht mehr gesehen wurden. Verschiedene Forschungsinstitute kommen auf circa 21.500 Firmenpleiten – 21 Prozent mehr als im Jahr 2023. Im neuen Jahr nun könnten dann weitere rund 22.000 Unternehmen insolvent werden. Die deutsche Wirtschaft kann also eine Stagnation, die nun bereits fünf Jahre anhält, nicht abschütteln.
Ursachen der wachsenden Insolvenzen
Die steigende Zahl von Insolvenzen ist das Resultat einer Kombination aus globalen und unternehmensinternen Faktoren. Die schwache Konjunktur trifft auf erheblich gestiegene Energie- und Personalkosten, die durch geopolitische Konflikte, wie den Ukraine-Krieg und Spannungen im Nahen Osten, zusätzlich verschärft werden. Viele Unternehmen kämpfen auch noch mit den Nachwirkungen der Corona-Pandemie, insbesondere im Hinblick auf ihre Anpassung an neue wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Und: Vielen schwächeren Unternehmen, die in der Niedrigzinsphase sowie mit Unterstützung von Fördermitteln die angesprochene Pandemie überlebt hatten, geht nun angesichts der gestiegenen Kosten sowie eines fehlenden nachhaltigen Geschäftsmodells endgültig die Luft aus.
Auswirkungen für den Standort Deutschland
Die Industrie ist dramatisch schlecht ausgelastet und vieles spricht dafür, dass die Kapazitäten dauerhaft sinken. Die verschlechterten Standortbedingungen durch die hohen Energiepreise, das Steuerniveau sowie eine überbordende, nicht in den Griff zu bekommende Bürokratie sorgen dafür, dass Unternehmen – gerade auch mittelständische Betriebe – ihre Produktionskapazitäten reduzieren, aufgeben oder sie im günstigsten Fall noch ins Ausland verlagern. Speziell kleinere Unternehmen geben jedoch schlicht auf. Die höheren Zinsausgaben seit Anstieg der Inflation leisten ebenfalls ihren Beitrag zu den Firmenpleiten, da nun die anstehenden Re- beziehungsweise Anschlussfinanzierungen zu mehr Ausfällen führen. Aufgrund des daraus folgenden Personalabbaus sinken die Einkommen und damit die Konsummöglichkeiten der Haushalte. Hinzu kommt eine hohe Sparquote der privaten Haushalte, die skeptisch in die Zukunft blicken. Der geringe Anstieg von Kurzarbeit lässt darauf schließen, dass die Industrie eher von einem dauerhaften Einbruch ausgeht.
Drohende Zölle
Ein weiteres Szenario hängt wie ein Damoklesschwert über der deutschen Industrie. Mögliche Zölle belasten die Exporte. Es wird damit gerechnet, dass mit dem Eintreten der Zölle und dem im Allgemeinen abnehmenden Welthandel aufgrund eines wachsenden internationalen Protektionismus sowie einer Abkehr vom Freihandel die deutschen Exporte zurückgehen, was wiederum Arbeitsplätze im Inland gefährdet und Investitionsanreize schmälert. Schließlich beeinflusst auch die gegenwärtige politische Unsicherheit das fehlende Wachstum. Aufgrund dieser Unsicherheit konsumieren nicht nur die Haushalte weniger, sondern auch die Unternehmen investieren in geringerem Maße. So sind die Ausrüstungsinvestitionen im vergangenen Jahr über fünf Prozent gesunken. Und eine Besserung ist nicht in Sicht.
Betroffene Branchen
Großinsolvenzen gefährden nicht nur Arbeitsplätze, sondern haben auch massive Auswirkungen auf die Stabilität ganzer Branchen. Die wirtschaftlichen Folgen betreffen private Haushalte ebenso, die aufgrund steigender Preise und einer angespannten Arbeitsmarktsituation unter Druck stehen. Nicht alle Branchen sind gleichermaßen von der Insolvenzwelle betroffen. Besonders gravierend ist die Lage in der Automobilindustrie, im Gastgewerbe, in der Bauwirtschaft sowie im Einzelhandel. In der Automobilindustrie und bei Zulieferern verursacht die Umstellung auf Elektromobilität hohe Kosten, und besonders kleinere Zulieferer stehen unter immensem Druck. Im Gastgewerbe belastet der Fachkräftemangel, die Anpassung der Umsatzsteuer ebenso wie die steigenden Energiekosten sowie die sinkende Kaufkraft. Die Bauwirtschaft leidet unter hohen Zinsen und steigenden Materialpreisen, während der Einzelhandel weiterhin mit den Herausforderungen der Digitalisierung und dem veränderten Konsumverhalten zu kämpfen hat. Auffällig ist allerdings – unabhängig vom Sektor –, dass jetzt doch viele Unternehmen in einer Größenordnung von bis zu 200 Mitarbeitern, die eigentlich gar nicht so auffallen, still und leise in die Insolvenz gehen. Eine der gravierenden Ursachen hierfür ist tatsächlich der Fachkräftemangel, der durch demografische Veränderungen sowie einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften verursacht wird, und der eben gerade die kleineren Unternehmen in die Knie zwingt. Die Start-up-Szene, die für Aufbruch, Innovation und Schaffen neuer Arbeitsplätze steht, leidet ebenfalls unter einer rekordhohen Insolvenzzahl und damit schwindenden Investitionen. Das hat sicherlich mit der allgemeinen Wirtschaftsschwäche zu tun, die Investoren zurückhält. Hinzu kommt, dass auch die Bereitschaft zur Kooperation zwischen Firmen und Start-ups aktuell bestenfalls stagniert. Der Zufluss ausländischen Venture-Kapitals sinkt ebenfalls, da der Standort Deutschland zunehmend unattraktiv wirkt.
Insolvenz als Chance
Ein sehr häufiger Insolvenzgrund, der allerdings in den letzten Jahren verschleiert wurde, ist, dass das ursprüngliche Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert. Hier bietet eine Insolvenz auch eine Riesenchance, denn sie kann ein wirkungsvolles Sanierungsinstrument sein. Alte Zöpfe werden abgeschnitten, ungünstige Verträge gekündigt sowie unrentable Betriebsteile geschlossen. Das betroffene Unternehmen hat nun die Chance zur Wiederbelebung, weil die Verbindlichkeiten auch eine mögliche Veräußerung nicht mehr behindern und es leichter wird, im Falle eines gesunden Kerns einen neuen Investor zu finden. Das ist eine große Chance. Ein wesentlicher psychologischer Vorteil, da der Mensch wahnsinnige Angst vor Veränderung hat. Und in einer Insolvenz ist eben dieser Veränderungsdruck immens hoch. Dies ist den betroffenen Akteuren auch bewusst, was wiederum Kräfte freisetzen kann. Schließlich gibt es trotz einer derart herausfordernden Lage für viele Unternehmen diverse Strategien, um die Krise zu bewältigen.
Finanzielle Resilienz stärken
Das kriselnde Unternehmen muss seine Finanzplanung an die gestiegenen Zinsen anpassen und alternative Finanzierungsquellen erschließen. Der Zugang zu staatlichen Förderprogrammen oder Liquiditätshilfen kann maximal kurzfristig helfen, Engpässe zu überwinden.
Restrukturierung und Kostenkontrolle
Eine Überprüfung der Kostenstrukturen und die Fokussierung auf profitable Geschäftssegmente können entscheidend sein. Weiter sind frische Perspektiven gefragt sowie das Bewusstsein, Restrukturierungsmaßnahmen effektiv und zeitnah umzusetzen.
Transformation und Innovation
Langfristig ist eine Investition in Digitalisierung sowie nachhaltige Geschäftsmodelle unerlässlich. Die Unternehmen müssen flexibel auf neue Marktentwicklungen reagieren und sich auf Innovationen konzentrieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Frühwarnsysteme
Jedes Unternehmen sollte Frühwarnsysteme einführen, um finanzielle Risiken und die Entwicklung der Kosten frühzeitig zu erkennen. Das ist umso wichtiger, wenn in Krisenzeiten die Umsätze einbrechen. Dadurch wird eine rechtzeitige Reaktion auf potenzielle Gefahren möglich und die Gefahr einer Insolvenz verringert.
Fazit und Ausblick
Die aktuelle Insolvenzwelle ist eine Herausforderung für viele Unternehmen, doch sie bietet auch die Chance zur Transformation beziehungsweise einen Neustart. Unternehmen, die ihre Schieflage zur Veränderung nutzen und sich neu aufstellen, alte Zöpfe abschneiden, eingetretene Pfade verlassen sowie unbequeme Entscheidungen treffen, haben beste Aussichten, gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Die Entwicklung der Insolvenzzahlen in Deutschland verdeutlicht, dass neben kurzfristigen Lösungen auch langfristige Strategien erforderlich sind, um wirtschaftliche Stabilität zurückzugewinnen. Aber sie verdeutlicht auch die Notwendigkeit von Planungssicherheit. Dafür hat die Politik zu sorgen, die grundsätzlich verstehen muss, dass es sich bei der aktuellen Wachstumskrise nicht um eine konjunkturelle Delle, sondern um eine fundamentale Strukturkrise handelt. Der Gesetzgeber muss dieser Situation mit Mut und Entschlossenheit entgegentreten und die richtigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen treffen. Denn die Unternehmen brauchen eine Grundlage, um sich wieder erfolgreich aufstellen zu können.
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