Insolvenzen in Deutschland

Wirtschaftspolitische Zeitenwende

Von Markus Wohlleber

Die aktuellen Insolvenzzahlen sind zwar nicht so hoch wie bei der Finanzkrise 2008/2009, jedoch sind die Gründe dieses Mal viel dramatischer als seinerzeit. Und die Politik allein wird kaum gegensteuern können, um den Niedergang vieler einst etablierter Firmen hierzulande zu verhindern.

Illustration: Mann im Anzug steht an Schiff Steuerrad

Es gibt Zeiten, in denen mehr Firmengründungen zu verzeichnen sind als Geschäftsaufgaben. Und es gibt Zeiten, da verhält es sich genau andersherum. Derzeit trifft Letzteres zu. Im Grunde genommen ist das nichts Ungewöhnliches, denn es ist ganz natürlich Teil des Wirtschaftskreislaufs. Die eigentliche Frage, die sich aber stellt, ist, ob aktuell Bedingungen gegeben sind, die es neuen Firmen schwerer machen, eine erfolgreiche Gründungsphase zu durchlaufen und sich zu etablieren beziehungsweise kriselnden Unternehmen es nahezu unmöglich machen, eine bestehende Krise zu überwinden. Genau hier liegt das eigentliche Problem, dem sich die deutsche Wirtschaft stellen muss. Denn es handelt sich aktuell um eine Vielzahl an Störfaktoren, wobei deren Nachhaltigkeit die eigentliche Gefahr ausmacht. Ob erstarkte oder aggressiv auftretende, vor allem ausländische Konkurrenz, Fachkräftemangel, überbordende Bürokratie oder hohe Stromkosten und Preisdruck – kriselnde Unternehmen müssen derzeit an vielen Fronten ums Überlegen kämpfen. Damit einhergeht eine allgemeine Zurückhaltung zu investieren. „Save the Money“ lautet die Devise, um für noch schlechtere Zeiten gewappnet zu sein. Diese Angst und Zurückhaltung führt jedoch zu einer In-Sich-Lähmung mit der Folge, dass es viele Betriebe wohl nicht schaffen werden, die laufenden Kosten zu bedienen, denn der erhoffte beziehungsweise notwendige Umsatz ist rückläufig, obwohl er zum Erhalt der bestehenden Ressourcen ebenfalls unverzichtbar ist.

Die Politik sollte helfen

Vor diesem Hintergrund ist eine grundlegende Reform der Wirtschafts-, aber auch Sozialpolitik zwingend notwendig. Dies setzt jedoch entsprechende politische Mehrheiten voraus und auch den Mut, gegebenenfalls unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Aufgrund der externen Einflüsse und schlechten Rahmenbedingungen hierzulande, kann man von der Politik aber kurzfristig keine Wunder erwarten. Solange die deutsche Wirtschaft in der Lage war, durch Innovation internationale Absatzmärkte zu erschließen, dort Umsatz zu erzielen und damit einhergehend erträgliche Steueraufkommen in Deutschland zu garantieren, konnte die Politik im Zusammenspiel mit den Möglichkeiten der Staatsverschuldung eine intensive Sozialpolitik betreiben. Nun aber muss man die Bevölkerung wohl auf Entbehrungen und Einsparungen vorbereiten. Denn aktuell, vor allem aber mit Blick auf die nahe Zukunft, wird die Politik hierzulande noch mehr Geld für den Staatshaushalt bereitstellen müssen, um mit Blick auf den demographischen Wandel Rentenlücken zu schließen, knappe Sozialversicherungshaushalte zu stützen, die Bildungs- und Infrastruktur auf Vordermann zu bringen und nicht zuletzt auch den Rüstungsetat stärker zu bedienen. Einem Mehr an Geldern in diesen Bereichen wird jedoch ein Weniger an zukünftigen Steuereinnahmen gegenüberstehen.

Exporteinnahmen sind rückläufig

Deutschland war einmal Exportweltmeister. Diese Zeiten sind nun aber vorbei. Natürlich war die Konkurrenz, vor allem aus Fernost, schon immer günstiger als wir mit Blick auf die Herstellung von Gütern. In der Vergangenheit jedoch waren die asiatischen Produkte hinsichtlich Qualität und Innovation keinesfalls führend, ganz im Gegenteil. Nun jedoch sind China und andere asiatische Staaten hinsichtlich der Attribute Qualität und Innovation absolut wettbewerbsfähig. Der einst bestehende qualitative Rückstand wurde über die letzten 20 Jahre Stück für Stück aufgeholt. Als betroffener Wirtschaftsstandort stehen wir nun vor dem Verlust unserer früheren Alleinstellungsmerkmale.

Die Wirtschaft muss sich auch selbst helfen

Da seitens des Gesetzgebers – seriös betrachtet – kein großer Wurf zu erwarten ist, sollten die Unternehmen eigenständig versuchen, erforderliche Maßnahmen zu treffen, anstatt nur auf eine Rettung durch die Politik zu hoffen. Eine Selbstheilung der Wirtschaft kann aber lediglich vom real Machbaren ausgehen. Sollte die Konkurrenz ausländischer Firmen derart stark sein, dass sie am Markt bezüglich der Umsatzverteilung eine konstante Größe ist und auch bleiben wird, müssen wir hierzulande einfach vergleichbar besser werden. Unsere Wirtschaft muss deshalb an den sie limitierenden Kostenschrauben drehen dürfen (günstigere Produktionskosten, weniger Personalkosten), unterstützt durch flankierende Maßnahmen der Politik (geringere Steuerquoten, günstigere Energiepreise, Abbau bürokratischer Hürden). Nur so können die Unternehmen in Deutschland in puncto Innovation, Qualität und Preis wieder wettbewerbsfähig werden und im internationalen Vergleich bestehen. An diesen Parametern lässt sich das Ausmaß der Krise festmachen. Inwieweit die Selbstheilungskräfte wirken können, um das Sterben vieler einst in Deutschland als etabliert geltenden Firmen zu verhindern, wird sich in naher Zukunft zeigen.

Fazit und Ausblick

Die aktuelle Insolvenzlage hat Gründe, mit denen sich die Politik in den vergangenen vierzig beziehungsweise fünfzig Jahren nicht befassen musste. China und andere Staaten in Fernost haben in wirtschaftlicher Hinsicht mit uns gleichgezogen, produzieren aber deutlich günstiger als wir. Daher muss sich nicht nur die Wirtschaft, sondern auch unser Staat selbst eigentlich einer Restrukturierungsagenda stellen. Andernfalls droht uns ein dauerhafter Verlust unseres Lebensstandards. Neben einem zielgerichteten Selbstheilungsprozess der Wirtschaft bedarf es flankierender Maßnahmen der Politik, damit unsere Unternehmen sich wieder im weltweiten Handel etablieren können.

Markus Wohlleber

Steuerberater, Diplom-Betriebswirt (FH), Bankkaufmann sowie Fachberater für Sanierung und Insolvenzverwaltung (DStV). Er ist Geschäftsführer der Steuerberatungsgesellschaft Wohlleber GmbH in Nürnberg, Haßfurt und Frankfurt am Main

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