Letztwillige Verfügungen

Auf Spezialisten setzen

Text: Dr. Sven Gelbke

Die Praxis zeigt, dass bei einer Testamentsgestaltung selbst Unternehmern oft eklatante Fehler unterlaufen. Daher sollte man beim Vererben von Vermögen unbedingt einen fachkundigen Experten zu Rate ziehen.

Illustration eines Kompasses, dessen Nadel zwischen den Begriffen Erbe, Vermächtnis und Pflichtteil pendelt

Beim Verfassen ihres letzten Willens suchen nicht wenige Menschen – vor allem im Internet – nach einem scheinbar passenden Testamentsmuster, anstatt einen Experten für Erbrecht zu konsultieren. Vor solchen und weiteren Dummheiten kann man nur warnen. Vielmehr bietet es sich sogar an, einen vermeintlichen Tabubruch zu begehen, und mit allen Beteiligten rechtzeitig über das Erbe – also noch vor dem Tod des Erblassers – zu reden. Der Verfasser des Testaments kann seinen Abkömmlingen dann selbst erklären, warum er wem was zugedacht hat oder warum nicht. Und es bleibt noch Zeit, Irrtümer und Missverständnisse auszuräumen. Das schafft Verständnis und Vertrauen. Wer dann noch die nachfolgenden Aspekte beim Vererben beachtet, kann seinen Lebensabend gelassen verbringen.

Das verschwundene Testament

Viele Menschen trauen den Ämtern nicht und legen das Testament deshalb in eine Schreibtischschublade oder den heimischen Safe. Nur allzu häufig sind diese Testamente dann nach Eintritt des Erbfalls urplötzlich nicht mehr auffindbar. Oft spielen diejenigen, die einen Zugang zum Aufbewahrungsort haben oder die Safe-Kombination kennen, die Ahnungslosen. Das kann auch daran liegen, dass sie mit dem Inhalt des privat verwahrten Testaments nicht wirklich einverstanden sind. Daher ist unbedingt zu empfehlen, die letztwillige Verfügung beim Nachlassgericht zu hinterlegen. Das kostet in der Regel nicht mehr als 75 Euro. Dafür hat man die Sicherheit, dass dieses Gericht nach Kenntnis vom Todesfall das Testament eröffnen wird und der letzte Wille damit nach dem eigenen Ableben auch tatsächlich zur Geltung kommt.

Das Computer-Testament

Immer wieder wollen Erblasser beim Formulieren des letzten Willens besonders ordentlich sein und tippen das Testament daher in ihren Laptop, drucken den Inhalt aus und unterschreiben das Dokument. Selbst bei größeren Vermögen kommt es immer wieder vor, dass vermeintliche Erben mit abgetippten Schriftstücken beim Nachlassgericht oder Anwalt erscheinen und damit ihr Erbrecht geltend machen. Das genügt den formellen Anforderungen an ein Testament jedoch nicht und hat quasi keinerlei rechtliche Wirkungen. An der Form aber sollte es nicht scheitern, dass ein über das ganze Leben aufgebautes Vermögen nicht dem letzten Willen gemäß verteilt wird. Ob Testament oder spätere Ergänzungen – in der Regel muss jede letztwillige Verfügung vollständig mit der Hand ge- sowie unterschrieben oder durch einen Notar beurkundet werden.

Falsch verwendete Textbausteine

Man sieht es in der Praxis immer wieder und erkennt sie auf Anhieb: mit Blocksätzen aus dem Internet abgefasste Testamente. Nicht selten ergeben die derart erstellten Verfügungen hierbei wenig Sinn oder können sich im schlimmsten Fall sogar widersprechen. Der eindeutige Rat muss daher lauten, einen Experten aufzusuchen. Dies spart viel Streit, den sich wohl kein Erblasser für seine Hinterbliebenen wünschen dürfte.

Fehlerhafte Rechtsbegriffe

Wer ein Testament verfasst, sollte sich vorher darüber informieren, welche Bedeutung bestimmte Rechtsbegriffe haben, die er für seinen letzten Willen verwendet. Ansonsten droht Chaos. Der Klassiker hier ist ein komplexes Testament, in dem an der einen Stelle von Vermächtnis und an einer anderen Stelle von Erbe gesprochen wird, sodass hinterher Streit darüber entstehen kann, ob an eine gewisse Person nur einzelne Gegenstände oder das gesamte Vermögen einschließlich aller Verpflichtungen aus der Erbschaft übertragen werden sollten. Zu achten ist daher auf eindeutige Formulierungen, wer zum Beispiel Erbe wird. Sonst kann es unter anderem Streit darüber geben, wer für die Verbindlichkeiten, wie etwa Bankschulden, die Bestattung und andere Kosten aufkommen muss. Gerade bei der Übertragung komplexer Vermögen ist auch der genaue Umfang der einzelnen Gegenstände genau zu bestimmen und abzugrenzen.

Formelle Defizite

Sofern das Testament mehrere Seiten umfasst, sollte man es nummerieren: Seite 1 von 5, Seite 2 von 5 und so weiter. So verhindert man spätere Manipulationen, etwa durch Entfernen von Seiten. Daher sollte zur Sicherheit auch auf jeder Seite einzeln unterzeichnet werden, vor allem, wenn Nachträge oder Erläuterungen beigefügt werden. Auch bei der Datums- und Ortsangabe sollte man möglichst pingelig sein und daher keine Abkürzungen verwenden, weil Fälscher das zu ungewollten Änderungen einladen könnte. Absolut fälschungssicher ist letztlich jedoch nur das notarielle Testament.

Unklare Formulierungen

Häufig wird auch wachsweich formuliert. Beispiele hierfür sind: „Wer sich am meisten vor meinem Tod um mich gekümmert hat, wird mein Erbe.“ oder „Ein großer Teil unseres Vermögens soll einer gemeinnützigen Organisation zugutekommen.“. Was ist mit Kümmern genau gemeint? Pflegeleistungen, finanzielle Unterstützung oder gar persönliche Zuwendung? Auch ein großer Teil kann aus mehreren Perspektiven etwas ganz Unterschiedliches bedeuten. Daher sollte man auf eindeutige Formulierungen achten und zumindest einen Dritten gegenlesen lassen. Nur, weil man selbst weiß, was gemeint ist, heißt das nicht automatisch, dass alle anderen es genauso verstehen werden.

Besonderheiten in Patchworkfamilien

Häufig besteht das Bedürfnis, den Ehegatten nach dem eigenen Ableben weiter im Haus wohnen zu lassen oder generell versorgt zu wissen. Man hat den Lebensabend miteinander verbracht, daher soll für den Hinterbliebenen ausreichend gesorgt sein. Doch gerade in Patchworkfamilien führt diese Sichtweise oft zu umfangreichen Erbstreitereien. Kinder aus früheren Ehen möchten eventuell nicht bis zum Versterben des neuen Ehegatten warten, bis sie am elterlichen Nachlass in irgendeiner Weise partizipieren dürfen. Gerade bei erheblichen Altersunterschieden zwischen dem verstorbenen und dem aktuellen Ehegatten führt dies häufig zu Pflichtteilsauseinandersetzungen. Daher sollte man fair bleiben sowie unterschiedliche Interessen berücksichtigen. Das kann etwa durch Zuteilung bestimmter Vermächtnisse wie zum Beispiel Möbel, Schmuck oder Geld gelingen.

Objektiv nachvollziehbare Kriterien verwenden

Gerade in Unternehmertestamenten stößt man häufig auf abenteuerliche Formulierungen: „Wer sich am besten für die Geschäftsleitung eignet, soll den Betrieb übernehmen.“ Mit solchen Sätzen ist anschließender Streit vorprogrammiert. Sofern man die erbrechtliche Übertragung tatsächlich an die individuellen Fähigkeiten der Erben knüpfen will, sollte man auf objektiv überprüfbare Kriterien achten, wie beispielsweise „derjenige mit der besten Abschlussnote“. Das mag zwar unter den Erben zu Konkurrenz führen, ist jedoch anhand klarer Bewertungskriterien eindeutig.

Pflichtteilsansprüche beachten

Darüber hinaus müssen die Pflichtteilsansprüche der gesetzlichen Erben von Unternehmern stets beachtet werden. Sollen einzelne, nahe Angehörige wie Ehegatten oder Kinder vollständig von der Erbfolge in Bezug auf ein Unternehmen ausgeschlossen werden, empfehlen sich bereits zu Lebzeiten erfolgende Übertragungen gegen Pflichtteilsverzicht oder Pflichtteilsanrechnung. Sonst kann nicht gewährleistet werden, dass die tatsächlichen Nachfolger später nicht exorbitant hohen Pflichtteilsforderungen ausgesetzt werden, die den Unternehmensfortbestand gefährden.

Teilungsanordnungen

Die aus Sicht des unternehmerischen Erblassers wahrscheinlich schwerwiegendsten Fehler sind solche, die das Fortbestehen des Unternehmens gefährden. Das gesamte Lebenswerk steht auf dem Spiel – was sicherlich nie dem letzten Willen des Erblassers entsprechen dürfte. Gerade bei mehreren Erben sind hier genaue und individuelle Regelungen unerlässlich. So kann der Erblasser im Testament bei mehreren Erben bestimmen, wie das Erbe unter ihnen aufgeteilt werden soll – beispielsweise mit einer sogenannten Teilungsanordnung. Diese Teilungsanordnung soll verhindern, dass sich die Erben, die eine Erbengemeinschaft bilden, wegen der Erbauseinandersetzung streiten. Gehören zum Beispiel mehrere Betriebe, Marken oder Patente zur Erbschaft und ist es aus Sicht des Erblassers sehr wahrscheinlich, dass sich die Kinder um einzelne Positionen streiten, kann eine entsprechende Teilungsanordnung erläutern, wer was erhalten soll.

Ausgleichspflicht

Zu beachten ist auch, dass bei einer Teilungsanordnung in der Regel ein Ausgleich nach den im Testament bestimmten Erbquoten erfolgt. Das heißt, dass diejenigen, die höherwertige Gegenstände erhalten, den anderen Erben zum Ausgleich verpflichtet sind. Ein solcher Ausgleich kann zwar ausgeschlossen werden. Das führt aber in der Regel zu einem Vorausvermächtnis. Und Vorsicht: Bei wertmäßig unterschiedlichen Zuwendungen zugunsten einzelner Erben ist immer die Grenze des Pflichtteils zu beachten. Zuwendungen darunter können stets zu Zusatzansprüchen der weniger Bedachten führen.

Testament contra Gesellschaftsvertrag

Bei erbrechtlichen Übertragungen von Unternehmensanteilen ist schließlich genau zu differenzieren: Was bedarf den erbrechtlichen Formerfordernissen, was den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben? Gerade bei unterschiedlichen Formen von Nachfolgeklauseln kann eine Aufnahme der Verfügungen sowohl im Testament als auch im Gesellschaftsvertrag ratsam oder gar unabdingbar sein. Bei Unternehmen gilt im Zweifel der Gesellschaftsvertrag. Steht dort beispielsweise, dass der Nachfolger ein promovierter Betriebswirt sein muss, reicht eine Nachfolgeregelung im Testament nicht aus, wonach auch ein Jurist Nachfolger in der Firma sein kann. Bei den Nachfolgeregelungen in Unternehmen geht der Gesellschaftsvertrag im Zweifel also vor.

Vorsicht bei Zwangsgemeinschaften

Um die Fortführung des Familienbetriebs zu gewährleisten, kann der Erblasser zudem anordnen, dass der Nachlass dauerhaft oder befristet nicht aufgeteilt werden darf. Gerade hierbei sollte jedoch bereits zu Lebzeiten möglichst genau über die Vorstellungen von Erblasser und Erben gesprochen werden. Denn als Zwangsgemeinschaften geführte Unternehmen können zumindest bei gleichen Stimmrechten nur selten zielorientiert und dynamisch am Marktgeschehen teilhaben.

Dr. Sven Gelbke

Rechtsanwalt in Köln und Betreiber des Erbrechtsportals „Die Erbschützer“

Sie Verwenden einen veralteten Browser oder den IE11 im Kompatiblitätsmodus. Bitte deaktivieren Sie diesen Modus oder nutzen Sie einen anderen Browser!