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Außenwirtschaftsrecht
Von Claudia Geercken
Unternehmen, die spezifischen Sektoren zugehörig oder im Bereich der Hochtechnologie anzusiedeln sind, haben bei Transaktionen durch Erwerber aus dem Nicht-EU/EFTA-Ausland eine Investitionsprüfung vorzunehmen.
Trotz zunehmend restriktiveren Regelungen über die letzten Jahre hinweg, die beim Erwerb von inländischen Unternehmen und Beteiligungen [Foreign Direct Investment (FDI)] durch Erwerber aus dem Ausland greifen, hat sich das Interesse an Direktinvestitionen hierzulande deutlich stabiler erwiesen als teilweise befürchtet. Infolge der Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union (EU Screening VO) unterliegen jedoch deutlich mehr Investitionsvorhaben einer Prüfung und dem Freigabeerfordernis als zuvor, da der Katalog an Meldepflichten im Jahr 2021 signifikant erweitert wurde. Die außenwirtschaftsrechtliche Investitionsprüfung hat zum Ziel, ausländische Direktinvestitionen, die sich negativ auf die öffentliche Ordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auswirken können, zu begrenzen oder zu vermeiden. Der Begriff Direktinvestitionen darf dabei nicht missverstanden werden, da es nicht allein auf den direkten Erwerber ankommt, sondern vielmehr auch mittelbare Erwerbsvorgänge umfasst sind. Ergo sind im Einzelfall die Beteiligungsverhältnisse in einer Erwerberkette aufzuklären. Dies führt insbesondere bei Transaktionen, die von ausländischen Erwerbern mit Fonds- oder Gruppenstrukturen angestoßen werden, zu einer erhöhten Komplexität, insbesondere bei einer Beteiligung von Staatsfonds.
Zentrale Instrumente sind – neben dem allgemeinen Prüfrecht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) – eine Meldepflicht mit Freigabeerfordernis und damit korrespondierend ein Vollzugsverbot vor Freigabe, unter Umständen, und abhängig vom Einzelfall, auch mit Auflagen und Bedingungen. Möglichst zu Beginn der Transaktion ist aufgrund des Verbots der Weitergabe von bestimmten sicherheitsrelevanten, unternehmensbezogenen Informationen vor einer solchen Freigabe schon zu klären, ob die Meldepflicht besteht. Auch das Zielunternehmen hat sich im Falle einer Meldepflicht auf diese Erfordernisse einzustellen und zu beachten, etwa wenn Informationen sowie Unterlagen in Rahmen von Due-Diligence-Prüfungen zur Verfügung gestellt werden. Die deutsche außenwirtschaftliche Investitionsprüfung kennt Meldepflichten im Rahmen einer sektorspezifischen und sektorübergreifenden Investitionsprüfung. Die sektorspezifische Investitionsprüfung gilt beim Erwerb von inländischen Unternehmen aus dem Sicherheits-, Rüstungs- und Wehrtechnik-bereich durch ausländische Erwerber mit einer Erwerbsschwelle von zehn Prozent. Unter die sektorübergreifende Investitionsprüfung fallen dagegen nur Erwerbe durch Nicht-EU/EFTA-Erwerber, allerdings unabhängig von Branche, Umsatz oder Größe des inländischen Unternehmens. Nachfolgend soll es um die Meldepflichten bei einer sektorübergreifenden Investitionsprüfung gehen, die in der M&A-Praxis den überwiegenden Anteil der Fälle ausmacht.
Die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) regelt in § 55a Abs. 1 Nr. 1 bis 27 detaillierte und bisweilen sehr technisch definierte Fallgruppen, die typisiert als besonders sicherheits- und damit prüfungsrelevant eingestuft werden. In einer derartigen Meldung muss der Erwerber Angaben zum Erwerb, zu sich als dem unmittelbaren Erwerber, dem zu erwerbenden inländischen Unternehmen sowie gegebenenfalls Beteiligungsstrukturen auf Erwerberseite machen. Zudem sind die Geschäftsfelder des Erwerbers und des zu erwerbenden inländischen Unternehmens in Grundzügen darzustellen. Innerhalb einer Frist von zwei Monaten hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) über die Eröffnung eines eingehenden Prüfverfahrens zu entscheiden. Wird das Verfahren nicht eröffnet, erlischt die Prüfbefugnis des BMWK und der Erwerb gilt als freigegeben. Wird hingegen das Prüfverfahren vom BMWK eröffnet, ist der Erwerber verpflichtet, dem Ministerium alle für die Prüfung relevanten Unterlagen sowie speziell im Einzelfall die für die Prüfung angeforderten Unterlagen vorzulegen.
Meldepflichtige Erwerbe hat das BMWK im Zuge eines europäischen Kooperationsrahmens, der sich aus der EU Screening VO ergibt, an die Europäische Kommission zu melden. Die Kommission kann dann – unter Einbeziehung der Mitgliedstaaten – Kommentare und Stellungnahmen abgeben. Das BMWK ist an die Stellungnahme der EU-Kommission nicht gebunden, berücksichtigt diese aber bei seiner Entscheidung, die aus einer Freigabe, Beschränkung oder – in ultima ratio – Untersagung des Erwerbs bestehen kann. Die Frist für die eingehende Prüfung beträgt vier Monate ab Vorlage der vollständigen Unterlagen beim BMWK. Dabei müssen sich die Beteiligten jedoch bewusst darüber sein, dass die Beschaffung und Aufbereitung der angefragten Unterlagen eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen können. Diesen Umstand sollte man, sofern Meldepflichten im Raum stehen, in die Transaktionsplanung miteinbeziehen. Die Prüffrist von vier Monaten kann in bestimmten Fällen verlängert werden, insbesondere im Einvernehmen der Beteiligten. Zudem kann die Frist durch Verhandlungen gehemmt werden. Rein faktisch können sich bei komplexen meldepflichtigen Transaktionen daher deutlich längere Prüfzeiträume ergeben, weil zum Beispiel bestimmte kritische Aspekte auf Erwerberseite vorliegen (wie etwa Staatsnähe). Dies ist bei der Gestaltung der Transaktion ebenfalls zu berücksichtigen.
Eine Erwerbsschwelle von zehn oder mehr Prozent Stimmrechten betrifft gemäß § 55a Abs. 1 Nr. 1 bis 7 AWV vor allem Betreiber kritischer Infrastrukturen (zukünftig: kritischer Anlagen), branchenspezifische Software zum Betrieb von kritischen Infrastrukturen, bestimmte Cloud-Computing-Dienste, aber auch Medienunternehmen. Bei kritischen Infrastrukturen handelt es sich um Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, deren Ausfall oder eine Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen auslösen könnten. Konkret betroffen sind Einrichtungen, Anlagen oder Teile davon, die den Sektoren Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser und Ernährung sowie dem Finanz- und Versicherungswesen oder der Siedlungsabfallentsorgung angehören. Nicht jedes Zielunternehmen, das eine kritische Infrastruktur betreibt, fällt aber per se unter die Meldepflicht. Denn im Rahmen einer Transaktion ist bei Qualifikation und Prüfung der FDI-Relevanz auf Schwellenwerte abzustellen, die in der Verordnung zur Bestimmung kritischer Infrastrukturen nach dem BSI-Gesetz (BSI-KritisV) individuell je Sektor festgelegt sind. Für die weiteren Fallgruppen des § 55a Abs. 1 Nr. 8 bis 27 AWV gilt eine Erwerbsschwelle von 20 Prozent oder mehr an Stimmrechten. Praxisrelevant sind insbesondere kritische Technologien, wie etwa Halbleiter, künstliche Intelligenz, 3D-Druck, Quantentechnologie, Robotik und ähnliche Hochtechnologien. Anders als die EU Screening VO sind die Katalogtatbestände der kritischen Technologien in der AWV detaillierter gefasst. In der Praxis kann die Zuordnung nicht immer eindeutig erfolgen, da in den Definitionen auch technische Details berücksichtigt werden.
Unterfällt die Transaktion keiner Meldepflicht, kann noch ein Prüfrecht des BMWK bestehen. Beim Erwerb von 25 Prozent oder mehr Stimmrechten an einem inländischen Unternehmen durch einen Nicht-EU/EFT-Erwerber kommt dieses Prüfrecht des BMWK von Amts wegen zur Anwendung, das auch nach Vollzug der Transaktion geltend gemacht werden kann. Ein Prüfverfahren kann das BMWK dabei längstens bis zum Ablauf von fünf Jahren ab Kenntnis vom Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags einleiten. Bestehen im Einzelfall Sicherheitsbedenken, kann der Erwerb untersagt werden mit der Folge, dass bereits vollzogene Erwerbsaktivitäten rückabzuwickeln sind. Da Aspekte wie die Größe des Unternehmens, der Umsatz oder die Anzahl der Arbeitnehmer bei der Investitionsprüfung keine Rolle spielen, können auch junge und innovative Start-ups schon in den frühen Phasen der Finanzierungsrunden betroffen sein. Um Rechtssicherheit zu erlangen, bietet es sich im Zweifel daher an, beim BMWK eine Unbedenklichkeitsbescheinigung einzuholen, wenn hinsichtlich der Investition eine prüfungsrechtliche Relevanz nicht auszuschließen ist.
Werden zusätzlich unmittelbar oder mittelbar Stimmrechtsanteile durch Investoren, die bereits Anteile an einem inländischen Unternehmen halten, hinzuerworben, unterliegen diese Hinzuerwerbe der Investitionsprüfung, auch wenn dies für den ursprünglichen Erwerb nicht galt, weil dieser unterhalb des Schwellenwerts lag. Bei einem meldepflichtigen Erwerb ist auch ein solcher Hinzuerwerb meldepflichtig. Prüfrelevante Schwellen können auch im Wege der Zurechnung bei nachträglichen Stimmrechtsvereinbarungen zwischen Gesellschaftern sowie bei Durchgriffsmöglichkeiten von Obergesellschaften auf mehrere Investoren im Sinne einer einheitlichen Stimmrechtsausübung erreicht beziehungsweise überschritten werden.
Deutschland ist weiterhin ein beliebter Standort für Direktinvestitionen, egal ob in Form eines Erwerbs von Unternehmen oder einer Beteiligung daran. Unternehmen, die spezifischen Sektoren wie etwa der Energieinfrastruktur, der Gesundheit oder dem Transport zugehörig sind oder dem Bereich der Hochtechnologie, insbesondere Halbleiter, KI, Robotik verortet werden können, haben bei Transaktionen durch Erwerber aus dem Nicht-EU/EFTA-Ausland – auch gegebenenfalls nur im Rahmen von Beteiligungsketten – eine Investitionsprüfung auf ihre To-do-Liste für Transaktionsplanungen aufzunehmen. Es ist nicht zu erwarten, dass dieses Thema an Praxisrelevanz verliert.
ist Rechtsanwältin und Associate Partner in der Praxisgruppe Corporate/M&A bei Rödl & Partner, München
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