Einer von uns

Trotz Fehlstart Spur gehalten

Von Robert Brütting

Für Murr & Siedentop fühlte sich der Weg zur vollautomatisierten Kanzlei eher wie ein Hindernislauf an als wie ein Rennen auf der Datenautobahn. Wie die Regensburger Steuerberater dennoch ans Ziel kamen und was sie Kollegen raten, die die Reise noch vor sich haben.

Der erste Versuch ging gründlich schief. „Dass an der Digitalisierung kein Weg vorbeiführt, ist mir seit Langem klar“, sagt Anton Murr. „Dass an der Digitalisierung kein Weg vorbeiführt, ist mir seit Langem klar“, sagt Anton Murr. Vor 25 Jahren gründete er die Steuerberatungsgesellschaft im Herzen von Regensburg, die heute Murr & Siedentop heißt und 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. 2008 unternahm er den ersten Anlauf, sämtliche Prozesse zu digitalisieren, 2013 einen zweiten. Es klappte nicht. Langjährige Mandanten, überwiegend Privatpersonen und mittelständische Unternehmen aus der Region, zogen nicht mit und stellten weiter Wäschekörbe mit Aktenordnern vor die Tür. Die Mitarbeiter versuchten, es allen recht zu machen: ein bisschen Digitalisierung hier, ein paar Papier belege dort – am Ende war es für alle Beteiligten mehr Arbeit als vorher. „Ich habe das Thema anfangs nicht ernst genug genommen“, räumt Murr ein. Ein paar neue Computerprogramme, so dachte er, könne man nebenbei einführen. Doch Digitalisierung geht weit über die reine Technik hinaus, sie beginnt in den Köpfen. Bei den Mitarbeitern – und bei den Mandanten.

Klar kommunizieren

2016 startete die Kanzlei den dritten Anlauf, diesmal mit Erfolg. Der entscheidende Unter schied: Murr beauftragte zwei junge Mitarbeiter, sich schwerpunktmäßig mit dem Projekt zu befassen und zunächst 20 Mandantenbeziehungen komplett zu digitalisieren. „Wir haben klar nach außen kommuniziert, neue Mandanten nur noch anzunehmen, wenn sie bereits digital oder digitalisierungswillig sind“, sagt Murr. Bestandskunden setzte er eine Frist von bis zu zwei Jahren, um ihre Prozesse umzustellen.

Vorteile herausstellen

Diese Konsequenz gefiel nicht allen. „Einige Mandanten haben die Kanzlei verlassen, bei anderen haben wir das Mandat niedergelegt.“ Ein Schaden sei der Kanzlei dadurch aber nicht entstanden. „Gegenüber der Zeit vor der Digitalisierung hat sich unser Umsatz nahezu verdoppelt“, bilanziert Andreas Siedentop, der 2022 als Namenspartner in die Kanzlei eintrat und seither die Digitalisierung weiter vorantreibt. Entscheidend für den Erfolg war die Einführung von DATEV Unternehmen online. „Bei jeder Bilanzbesprechung haben wir den Firmen das Programm vorgestellt“, erinnert sich Murr. „Zeitweilig kamen wir uns vor wie Außendienstmitarbeiter von DATEV.“ Viele Mandanten seien sofort bereit gewesen mitzumachen, andere mussten überzeugt werden. Ein Argument überzeugte am Ende die meisten: Einmal eingeführt, senkt das System den Verwaltungsaufwand erheblich. Inzwischen hat das Team von Murr & Siedentop das Programm bei fast allen Mandanten eingerichtet. Neukunden, die noch nicht digital arbeiten, werden Schritt für Schritt umgestellt, die Mitarbeiter an ihren Arbeitsplätzen geschult. „Nach spätestens zwei Monaten arbeitet der neue Mandant dann voll digital mit uns zusammen“, sagt Murr stolz. Auch für die oft gescholtenen Finanzämter finden die Steuerberater lobende Worte: „Die digitale Kommunikation mit den Behörden funktioniert hervorragend“, so Siedentop.

Engen Kontakt zu den Mandanten halten

Ganz ohne Papier geht es aber nach wie vor nicht. Das liegt teilweise an gesetzlichen Regelungen, teilweise an bewährten Prozessen, die Murr nicht umstellen möchte. So kommt etwa aufgrund der hohen Arbeitsteilung bei der Bilanzerstellung noch immer ein Laufzettel zum Einsatz, eine kleine, liebgewonnene Reminiszenz an die analoge Zeit. Andererseits ziehen inzwischen auch KI-basierte Anwendungen ein, darunter DATEV-Tools wie der Automatisierungsservice Rechnungen und der Automatisierungsservice Bank oder der Social Media Assistant, um Beiträge für Instagram, Facebook oder LinkedIn zu generieren. Briefe oder E-Mails werden zum Teil von ChatGPT vorformuliert. Wichtig ist den Namenspartnern, dass bei allen Vorzügen der Technik das Menschliche nicht zu kurz kommt. „Unser Ansatz ist, eine enge Bindung zu den Mandanten herzustellen. Der Kontakt zum Kunden darf durch die Digitalisierung nicht verloren gehen“, sagt Murr. Verbesserungsbedarf sehen die Kanzleichefs bei der Ausbildung der angehenden Steuerfachangestellten. Unter heutigen Schulabgängern sei der Umgang mit digitalen Medien selbstverständlich, leider gehe die berufliche Bildung an den benötigten Fähigkeiten vorbei. Den größten Teil der heute gängigen Standardprogramme beherrschten die neuen Mitarbeiter nicht. „Wir müssen zum Teil ganz von vorn anfangen. Alles, was die Auszubildenden über die Programme, aber auch unser digitales Arbeiten wissen müssen, lernen Sie erst bei uns“, kritisiert Siedentop. Einen Rat für Kollegen, die ihre Kanzlei digitalisieren wollen, haben die Regensburger auch noch. „Entscheidend ist, dass der Kanzleichef die Umstellung will“, sagt Murr. „So mancher Kollege ist dazu leider nicht bereit. Aber wer den Aufwand scheut, wird bald keine Chance mehr haben.“ Analoge Kanzleien würden mit Einführung der E-Rechnung nahezu wertlos. „Welcher junge Kollege wird noch eine papierbasierte Kanzlei übernehmen wollen?“, fragt er. Für seine Altersversorgung setzt der 58-Jährige lieber auf eine Kanzlei mit Zukunft.

Im Jahr 2000 eröffnete Steuerberater Anton Murr die Regensburger Kanzlei. Heute firmiert sie als Murr & Siedentop Part mbB Steuerberatungsgesellschaft und ist spezialisiert auf Insolvenzsteuerrecht bei Insolvenzen in Eigenverwaltung.

Im Jahr 2000 eröffnete Steuerberater Anton Murr die Regensburger Kanzlei. Heute firmiert sie als Murr & Siedentop Part mbB Steuerberatungsgesellschaft und ist spezialisiert auf Insolvenzsteuerrecht bei Insolvenzen in Eigenverwaltung.

Robert Brütting

Rechtsanwalt in Nürnberg, Fachjournalist Steuern und Recht und Redakteur beim DATEV magazin

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