Kanzlei-Serie - Folge 3

Notfalls auch ohne Sie

Kaum ein Steuerberater stellt sich gern vor, dass er plötzlich ausfallen könnte und seine Kanzlei irgendwie ohne ihn weiterlaufen muss. Doch im Notfall sind Mitarbeiter und Mandanten genau darauf angewiesen, dass der Chef oder die Chefin sich dieser unangenehmen Thematik rechtzeitig gestellt und verantwortungsbewusst vorgesorgt hat.

Eigentlich lief es – in Anbetracht der Umstände – ganz gut: Als Steuerberater Jürgen Steinborn die Folgen seines Unfalls in der Rehaklinik größtenteils auskuriert hatte, kam er mit dem guten Gefühl in seine Kanzlei zurück, die wesentlichen Dinge in die richtigen Bahnen gelenkt zu haben. Die Kanzlei, als Sozietät betrieben, hatte während seiner Abwesenheit sein Partner geführt, ganz so wie es der Partnerschaftsvertrag vorsah.

Zurück im Alltagsgeschäft allerdings sieht sich der Berater plötzlich Erwartungen von Mitarbeitern und Mandanten gegenüber, die er einfach nicht mehr erfüllen kann. Das weiß zunächst aber nur er selbst, die Mitarbeiter reagieren unsicher, Mandanten fühlen sich vernachlässigt. Erste Mandatskündigungen sind die unausweichliche Konsequenz. Es folgt eine unaufhaltsame „Erosion“, wie Steinborn heute sagt.

Ganz schnell einen Nachfolger finden?

Um zu retten, was noch zu retten ist, beginnt er mit der fieberhaften Suche nach einem Nachfolger. Als dieser gefunden ist, stellt sich bald heraus, dass weder die Mitarbeiter noch die Mandanten mit ihm zurechtkommen. Die Kanzlei gerät immer mehr in Schwierigkeiten. Steinborn selbst hat Glück, die Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt und bewahrt ihn und seine Familie zumindest vor akuten finanziellen Problemen.

Das Beispiel zeigt anschaulich, dass selbst dann, wenn vieles gut geplant und frühzeitig geregelt ist, ein unvorhergesehener Ausfall drastische Folgen für die Kanzlei haben kann. Noch weitaus kritischer aber verläuft ein solcher ohne Notfallplanung – und das ist leider die Regel. Denn viele Steuerberater haben noch nicht einmal ein Testament, geschweige denn einen strukturierten Fahrplan für den Fall der Fälle. „Einen Notfallordner hat kein Mensch“, weiß Steinborn.

Die psychologische Hürde überspringen

Die Gründe dafür sind menschlich – Krankheit und Tod sind Tabuthemen, die Gedanken daran unangenehm. Hinzu kommen das allgemeine Phlegma und der fehlende Impuls, heute aktiv für ein vages Morgen vorzusorgen. Es ist in der Tat so, dass der Notfall die Ausnahme ist, die wahrscheinlich glücklicherweise nie Realität wird. Dennoch scheidet statistisch etwa jeder Vierte krankheitsbedingt vor dem Erreichen des Rentenalters aus dem Beruf aus.

Für Steuerberater ist dies besonders problematisch, längst nicht alle haben eine Berufsunfähigkeitsversicherung in ausreichender Höhe, und der Kanzleiwert stellt oftmals die einzige finanzielle Absicherung für das Alter dar. Letzterer schwindet in ungeahnter Geschwindigkeit, wenn im Notfall nicht sofort die richtigen Dinge veranlasst werden. Zwar bestellt die Kammer einen Vertreter, doch dies reicht keineswegs aus.

Kommunikationsstrategie vorgeben und Notfallmanager finden

Die zentrale Sofortmaßnahme, die im Notfall greifen muss, ist unter Werterhaltungsgesichtspunkten eine adäquate Kommunikation mit den Mandanten. Steuerberater sollten schriftlich auch eine Art Sprachregelung fixieren, die jeden Mitarbeiter in die Lage versetzt, ruhig und vertrauensbildend auf Mandantenanfragen zu reagieren. Konkret sollten sie vermitteln können, dass die Kanzlei auf einen solchen tragischen Fall natürlich vorbereitet sei, ein Vertreter bereitstehe und die Suche nach einem Nachfolger bereits in die Wege geleitet sei. Damit gewinnen die Mandanten zunächst einmal die Sicherheit, dass ihre Belange auch weiterhin gut in der Kanzlei aufgehoben sind.

Damit dies funktioniert, muss der Steuerberater innerhalb des Kanzleiteams einen Notfallmanager bestimmt haben, etwa die persönliche Assistentin, einen leitenden Mitarbeiter oder einen etwaigen Partner. Die Familie ist für diese Aufgabe im Übrigen ungeeignet, da sie selbstverständlich vollauf mit den persönlichen Belangen der Situation beschäftigt ist.

Der Notfallmanager sollte die Notfallplanungen genauestens kennen und im Ernstfall schnell auf die wichtigen Informationen zugreifen können. Wesentlich sind dabei nicht nur Passwörter für sämtliche IT-Anwendungen, damit der Betrieb überhaupt weitergehen kann, sondern insbesondere die Erteilung von Kontovollmacht, damit die Mitarbeiter ihre Gehälter weiter ausbezahlt bekommen und auch andere Verbindlichkeiten nahtlos bedient werden können. Unterbleibt nämlich Letzteres, macht sich schnell Unsicherheit breit, die Mandate gefährdet.

Ohne Vertrauen geht es nicht

Um auszuschließen, dass ein fremder Berater schließlich vorübergehend die Geschäfte übernehmen muss, wie das Berufsrecht es vorsieht, sollten Steuerberater auf jeden Fall rechtzeitig einen befreundeten Kollegen darum bitten, sie gegebenenfalls zu vertreten. Für diesen (gegenseitigen) Gefallen bedarf es freilich eines erheblichen Maßes an Vertrauen, vor allem darauf, dass der andere das auch alles hinbekommt und dass nicht gar Mandate abgeworben werden. Die Alternative allerdings – ein völlig Fremder erledigt den Job tadellos – erfordert erheblich mehr, nämlich Gottvertrauen.

Wer sich darauf nicht verlassen will, findet Kontakt zu Kollegen bei Veranstaltungen der Kammern, Verbände und der DATEV eG. Letztere berät auch in allen Fragen rund um Kanzleiwert und Nachfolge und unterstützt bei der Anlage eines Notfallordners. Darin sollten nach privatem und geschäftlichem Bereich untergliedert alle wichtigen Dokumente oder der Verweis auf deren Aufbewahrungsort enthalten sein.

Wichtige Dokumente und Handlungsleitungen vorbereiten

Dazu zählen neben Konto- und sonstigen Vollmachten wichtige Verträge und Policen sowie eine Liste der Kennwörter, die Zugang zum Computersystem und zum Tresor ermöglicht. Der Notfallordner sollte jährlich auf Aktualität überprüft und auf den neuesten Stand gebracht werden. Das Unternehmertestament bewahren im Übrigen am zuverlässigsten die Registergerichte auf, denn im Todesfall erfolgt dort die Eröffnung hinterlegter Testamente automatisch.

Was dagegen keineswegs selbsttätig erfolgt, ist die Suche nach einem geeigneten Nachfolger. Im Ernstfall ist es von entscheidender Bedeutung, unverzüglich damit zu beginnen, wenn dieser nicht ohnehin schon bestimmt und eingearbeitet ist, da jeder Zeitverlust den Kanzleiwert erheblich gefährdet. Eine entsprechende Handlungsanleitung dazu, die auch Aufschluss darüber gibt, wer gegebenenfalls mit der Suche beauftragt werden soll, gehört ebenfalls in den Notfallordner – der hoffentlich nie zum Einsatz kommt.

Weitere Informationen zum Thema Kanzleinachfolge/Kanzleiübernahme

Ansprechpartner zum Thema Nachfolge für Kunden: Steffen Bock, DATEV Consulting

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