Folge 4

Die Kasse als Einstieg in die Prozessberatung

Mit der Durchsetzung des Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen beschert die Finanzverwaltung den Unternehmen eine Reihe vermeintlich neuer Pflichten. Eine – als besonders lästige empfundene – ist die Erstellung einer Verfahrensdokumentation des Kassenprozesses. Richtig verstanden, gewinnen durch ihre Erfüllung allerdings alle Seiten: der Mandant durch effizientere Abläufe, der Steuerberater durch einen eleganten Einstieg in die Prozessberatung, der Fiskus durch mehr Transparenz und der Steuerbürger durch mehr Steuergerechtigkeit.

Foto von Stephan Greulich, Experte für Grundsatzfragen der Ordnungsmäßigkeit von der DATEV eG.
Stephan Greulich, Experte für Grundsatzfragen der Ordnungsmäßigkeit von der DATEV eG. Quelle: DATEV eG

Wenn das Leben Dir Zitronen gibt, mach Limonade daraus, heißt eine leicht angestaubte Lebensweisheit; ein neuer Buchtitel rät, in diesem Fall nach Salz und Tequila zu verlangen. Wie dem auch sei – gesetzliche Pflichten sind zwar selten ein Grund zu uneingeschränkter Freude, können aber durchaus nützliche Komponenten beinhalten. Das trifft auch auf das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen zu. Mit den darin enthaltenen Maßnahmen wird erneut klargestellt, dass die Abläufe im Unternehmen rund um die Kasse zu dokumentieren sind. Diese Vorgabe ist zwar nicht neu: Schon im BMF-Schreiben aus dem Jahr 1995 zu den GoBS wird auf die Bedeutung einer aussagekräftigen Verfahrensdokumentation hingewiesen; in den Schreiben zur 1. und 2. Kassenrichtlinie sowie den GoBD wurden die Vorgaben bis 2014 weiter konkretisiert, vom BFH 2015 außerdem bestätigt.

Diese bereits länger andauernde Historie bedeutet aber nicht, dass das Thema bereits bei den Unternehmern in der Breite angekommen wäre. Vielmehr fehlt die Verfahrensdokumentation in zahlreichen Betrieben noch immer. Als Grund dafür gilt der sehr allgemeine Rahmen der inhaltlichen Vorgaben. „Es wird aber auch in Zukunft keine abschließende Auflistung der Pflichtbestandteile seitens der Finanzverwaltung geben können", stellt Stephan Greulich, Experte für Grundsatzfragen der Ordnungsmäßigkeit von der DATEV eG klar. Zu unterschiedlich seien die Abläufe in den Unternehmen, zu vielfältig die Systeme, zu heterogen die Strukturen in den einzelnen Branchen und Betrieben.

Finanzverwaltung gibt Orientierungsrahmen vor

Der Orientierungsrahmen, den die Finanzverwaltung vorgibt, enthält eine Reihe von Mindestangaben, die eine Verfahrensdokumentation enthalten muss. Daraus lässt sich eine allgemeine Grobgliederung ableiten. Exemplarisch folgen demnach einer Vormerkung zunächst Ausführungen zur Zielsetzung, dem Anwendungsbereich, dem Unternehmen und der Branche, der es angehört.

An dritter Stelle steht die Beschreibung des organisatorischen Umfelds: Welche Bearbeitungsbereiche gibt es? Wer ist zuständig? Wie werden die Mitarbeiter in Bezug auf den korrekten Umgang mit Kassendaten unterwiesen? In Punkt vier folgt der eigentliche Kern der Verfahrensdokumentation mit der Erläuterung der eingerichteten Verfahren und betrieblichen Abläufe rund um die Kassenführung. Dazu zählen unter anderem: die Ablaufbeschreibung Barverkauf, die Ablaufbeschreibung des Verkaufs mit EC- oder Kreditkarte, die Integration mit nach- und vorgelagerten Aufzeichnungs- und Warenwirtschaftssystemen, die Kassensturzfähigkeit und der Umgang mit Kassenfehlbeträgen, die Erstellung des Kassenberichts und das Führen des Kassenbuchs sowie die Archivierung der Kasseneinzeldaten.

Nach diesem Teil folgt ein technischer Part: Hier wird die eingesetzte Hard- und Software beschrieben; neben dem eigentlichen Kassensystem gehören auch Angaben zu Serversystemen und externen Peripheriegeräten wie Drucker und Scanner mit in die Ausführungen. Anschließend geht es um Informationen zu allgemeinen technischen und organisatorischen Sicherheitsmaßnahmen, wie Zutrittskontrollen zu den Betriebsräumen oder Passwortschutz, und die Erfüllung der Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung. Zu einer vollständigen Verfahrensdokumentation gehören außerdem sämtliche Unterlagen der Geräte und Systeme selbst, wie etwa Bedienungs- und Programmieranleitungen oder eine Erläuterung des Datenbanksystems und – last but not least – eine Veränderungshistorie der Dokumentation als solcher.

Muster-Verfahrensdokumentationen bieten konkrete Leitplanken

Eine allgemeine Mustervorlage für eine Verfahrensdokumentation zur ordnungsgemäßen Kassenführung erarbeitet derzeit der Deutsche Fachverband für Kassen & Abrechnungssystemtechnik im bargeld- und bargeldlosen Zahlungsverkehr e.V. (DFKA) unter der Leitung von Stephan Greulich. Auch von einzelnen Branchenverbänden liegen bereits erste Muster oder Gliederungsvorschläge vor, auf die Unternehmen und Berater zurückgreifen können. Die DATEV stellt Steuerberatern Know-how und Tools zur Verfügung, die sie zum Ausfüllen der entsprechenden Grobmuster verwenden können.

Mit einem solchen Grobmuster sollten Unternehmen und Steuerberater unmittelbar beginnen, insbesondere dann, wenn überhaupt noch keine Verfahrensdokumentation existiert. Weitere Konkretisierungen abzuwarten, sei dagegen definitiv der falsche Weg, betont Greulich: „Eine Verfahrensdokumentation lebt ja nicht zuletzt von der zyklischen Veränderung." Deshalb sollten Berater und Mandanten jetzt gemeinsam mit einer Prozessanalyse im Mandantenbetrieb beginnen, eine Verfahrensdokumentation erarbeiten und diese dann nicht nur an das Muster des DFKA anpassen, sondern auch jeweils im Rahmen der jährlichen Besprechung an die veränderten Gegebenheiten.

Schwachstellen aufdecken, Mitarbeiter schulen

Damit gelingt Beratern der Einstieg in die Prozessberatung. Denn die für die Erstellung der Verfahrensdokumentation erforderliche Analyse der Abläufe offenbart ja auch Schwachstellen, die sich anschließend beheben lassen. Ein ganz wesentlicher Punkt ist an dieser Stelle die Berücksichtigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit dem jeweiligen Kassensystem arbeiten: Ihnen eine Handlungsanweisung für den Fall der unangekündigten Kassen-Nachschau zu geben – Soll ich sofort den Chef oder die Chefin anrufen? Welche Daten kann/muss ich sofort herausgeben? Wie soll ich auf bestimmte Fragen antworten? – ist nicht nur hilfreich, sondern im Sinne einer umfassenden, rechtssicheren Beratung seitens des Steuerberaters auch unerlässlich.

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