Der Wachstumsmotor in Deutschland stockt und die Anzahl der Insolvenzen steigt immer weiter an. In solch einer krisenhaften Konstellation ist es für Unternehmen besonders wichtig, die eigene wirtschaftliche Sicherheit verteidigen zu können. Dazu gehört auch, sich zu schützen, wenn ein Geschäftspartner ins Straucheln gerät und das eigene Unternehmen droht, durch die geschäftlichen Verknüpfungen selbst aus dem Gleichgewicht gerissen zu werden. Allerdings führt die Insolvenz des Geschäftspartners bei den allermeisten Vertragstypen zumindest nach dem gesetzlichen Leitbild gerade nicht dazu, dass der Vertrag automatisch endet oder der andere Vertragsteil zumindest zur Kündigung des Vertrages berechtigt wäre. Eine Lösung können insolvenzabhängige Lösungsklauseln sein. Sie sind in zahlreichen Branchen üblich, um in Krisenzeiten eine Trennung von dem Vertragspartner möglichst reibungslos zu ermöglichen – und ohne die bereits in Mitleidenschaft gezogenen Unternehmen noch weiter zu belasten.
Gestaltung mit engen Grenzen
In der Anwendung sind diesem Instrument jedoch vergleichsweise enge Grenzen gesetzt. Werden diese nicht beachtet, gelten die Lösungsklauseln als unwirksam. Grund für diese Einschränkung der grundsätzlich bestehenden Vertragsfreiheit ist, dass die Insolvenzordnung Vorschriften enthält, die das Schicksal wechselseitiger Verträge in der Insolvenz eines der Vertragspartner beeinflussen, die Rechte und Pflichten der Parteien teilweise umgestalten, und die nicht durch vorinsolvenzliche Abreden der Parteien ausgehebelt beziehungsweise umgangen werden sollen. Genannt sei vor allem das sogenannte Wahlrecht des Insolvenzverwalters, kraft dessen er wählen kann, ob er Verträge, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht beiderseitig erfüllt sind, fortführen möchte oder nicht – mit allen damit einhergehenden Konsequenzen. Der Insolvenzverwalter entscheidet allein kraft seines Amts, ob eine Dienstleistung vollzogen, eine Lieferung getätigt oder ein Bauwerk vollendet werden soll. Dieses Wahlrecht ist ein wichtiges Instrument im Werkzeugkasten des Insolvenzverwalters, das in Sanierungen effektiv eingesetzt werden kann – und wird. So lassen sich damit aus Sicht des strauchelnden Unternehmens beispielsweise defizitäre Projekte ohne Zeitverzug beenden oder Verträge flexibel kündigen, aber auch versprochene Leistungen sicherstellen.
Abhängigkeiten vermeiden
Viele Unternehmen versuchen gleichwohl, sich nicht in solch eine Abhängigkeit begeben zu müssen, selbst wenn der Geschäftspartner wirtschaftlich stark, die Zusammenarbeit vertrauensvoll und die Zukunft rosig erscheint. Es gilt: Vorsorge ist besser als Nachsorge – idealerweise bereits in guten und nicht erst in schlechten Zeiten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hält insolvenzabhängige Lösungsklauseln nur unter bestimmten Voraussetzungen für wirksam. Essenziell ist dabei, dass die Klausel nicht von zwingenden gesetzlichen Vorgaben – etwa von der Kündigungssperre für Mietverhältnisse – abweichen darf. Kritisch sind gerade auch Klauseln, die im Falle der Insolvenz des Geschäftspartners automatisch zu einer Vertragsbeendigung hinleiten. Unwirksam können daher beispielsweise insolvenzbedingte Lösungsklauseln sein, die ausschließlich an den Eintritt der Insolvenz anknüpfen. Bedeutsam ist auch die Art der Gläubigerstellung. So sollen etwa Gläubigern von Geldleistungen stärkere Eingriffe in ihre Vertragsfreiheit zumutbar sein, da sie durch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, also ein Leistungsverweigerungsrecht, regelmäßig ausreichend geschützt seien. Für die Wirksamkeit einer insolvenzabhängigen Lösungsklausel kann hingegen eine Gestaltung sprechen, bei der die Klausel ein ohnehin bestehendes gesetzliches Recht konkretisiert, sofern zusätzlich ein berechtigtes Interesse des Vertragspartners an der Lösungsmöglichkeit in der Insolvenz des Geschäftspartners besteht. Eine insolvenzbedingte Lösungsklausel sollte sich daher nach Möglichkeit an bestehenden gesetzlichen Kündigungsregelungen orientieren. Zu beachten ist allerdings, dass nicht für alle Branchen gesetzliche Kündigungsvorschriften existieren, die dafür genutzt werden könnten. Eine Prüfung mit der gebotenen Expertise ist daher unumgänglich.
Prüfung unerlässlich
In einem Fall, in dem der BGH im Jahre 2023 (Az. IX ZR 213/21) zu entscheiden hatte, ging es um eine derart gestaltete Klausel. Darauf gestützt hatte der Geschäftspartner eines insolventen Busunternehmers, der die Schüler von fünf Schulen befördern sollte, den Vertrag mit dem Busunternehmer kurz nach dessen Insolvenzantrag fristlos gekündigt. Dies hatte einen Rechtsstreit um die vertraglich vereinbarte Restvergütung zur Folge. Die Klage des Insolvenzverwalters hatte vor dem BGH keinen Erfolg, der das Urteil der Vorinstanz aufhob. Eine insolvenzabhängige Lösungsklausel kann nach dem BGH wirksam sein, sofern die dadurch bevorzugte Vertragspartei beim Vertragsabschluss ein berechtigtes Interesse daran habe, sich auf diese Weise bei Insolvenz des Geschäftspartners vor einem besonderen Risiko zu schützen. In dem zugrunde liegenden Fall wäre dieses Risiko die durch eine Insolvenz möglicherweise ausfallende Beförderung der Schülerinnen und Schüler gewesen. Maßgeblich für die Risikobewertung aus Sicht des Auftraggebers war in diesem Fall also die Zuverlässigkeit des Dienstleisters. Da die Vorinstanz keine ausreichenden Feststellungen zur Beurteilung dieser Frage getroffen hatte, verwies der BGH den Rechtsstreit zurück. Entscheidend ist bei einer solchen Abwägung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, dass die Klauseln auf möglichst objektiv nachvollziehbare Interessen der Vertragsparteien gestützt werden. Diese sollten klar dokumentiert werden, um im Streitfall einen entsprechenden Nachweis führen zu können.
Fazit
Die Möglichkeiten, unter denen Unternehmen insolvenzabhängige Lösungsklauseln in ihren Verträgen mit Geschäftspartnern nutzen können, sind also begrenzt. Allgemeingültige Klauseln gibt es nicht. Erforderlich ist vielmehr eine eingehende Prüfung der Interessenslagen der beteiligten Parteien – nach Möglichkeit noch vor Vertragsabschluss –mit der nötigen fachlichen Expertise.