Trotz der teilweise irritierenden Entwicklungen in der Zollpolitik mancher Weltmächte wird der grenzüberschreitende Warenhandel mit nicht EU-Mitgliedsstaaten – sogenannten Drittländern – nicht versiegen. Unternehmen werden weiterhin Waren einführen und mit Einfuhrzöllen sowie der Einfuhrumsatzsteuer belastet sein. Während Zölle eine finale Belastung darstellen, können die betroffenen Unternehmer die Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen ihrer Umsatzsteuererklärung zum Abzug bringen. Der nachfolgende Beitrag verschafft einen Überblick über die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs bei der Einfuhrumsatzsteuer und erläutert dies abschließend anhand von zwei Fallbeispielen.

Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer

Der Vorsteuerabzug für die Einfuhrumsatzsteuer ist in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) geregelt. Danach kann ein Unternehmer die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen, sofern die eingeführten Gegenstände für sein Unternehmen bestimmt sind und sich der Einfuhrort im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg befindet. Um den Vorsteuerabzug erfolgreich in Anspruch nehmen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 

  1. Einfuhr eines Gegenstands nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG
  2. Abzugsberechtigt ist ein Unternehmer im Sinne des § 2 UStG (nicht näher thematisiert)
  3. Die Einfuhr erfolgt für das Unternehmen des Abzugsberechtigten
  4. Einfuhrumsatzsteuer ist entstanden.
  5. Die Einfuhr ist steuerpflichtig, nicht nach § 5 UStG steuerfrei (nicht näher thematisiert)
  6. keine Ausschlussgründe nach § 15 Abs. 1a, 1b, 2 und 3 UStG (nicht näher thematisiert)

Einfuhrtatbestand

Der umsatzsteuerrechtliche Einfuhrtatbestand liegt vor, wenn sogenannte Nicht-Unionsware in das Inland verbracht wird und in den Wirtschaftskreislauf eingeht (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG). Der Einfuhrtatbestand bezieht sich somit nur auf Warenbewegungen und umfasst keine Dienstleistungen. Der häufigste Fall, der zur Einfuhrumsatzsteuer führt, ist das Verbringen von Nicht-Unionsware in das Inland und dessen ordnungsgemäße Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr. Abzugrenzen sind demnach Fälle, bei denen aufgrund des gewählten zollrechtlichen Verfahrens zwar ein Verbringen ins Inland erfolgt, die Ware jedoch noch nicht in den freien Verkehr gelangt. Hierzu zählen insbesondere das zollrechtliche Versandverfahren oder Zolllagerverfahren.

Einfuhr für das Unternehmen

Der Tatbestand der „Einfuhr für das Unternehmen“ ist erfüllt, wenn der Unternehmer den eingeführten Gegenstand im Inland zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr abfertigt und diesen im Rahmen seiner unternehmerischen Tätigkeit zur Ausführung von Umsätzen einsetzt. Dies wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) präzisiert (BFH, Beschluss vom 20.07.2023, V R 13/21). Danach ist der Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer nur möglich, wenn der Wert des eingeführten Gegenstands und damit auch die Einfuhrumsatzsteuer zu den Kosten eines korrekten Ausgangsumsatzes des Abzugsberechtigten gehört. Zusammenfassend gehen die deutsche Finanzverwaltung und der BFH davon aus, dass die Voraussetzung bei einem Unternehmer vorliegen, der im Zeitpunkt der Überführung in die Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr die Verfügungsmacht über den Gegenstand besitzt. Für die Definition der „Verfügungsmacht“ kann sich am Lieferbegriff des § 3 Abs. 1 UStG orientiert werden. Danach wird einem Unternehmer die Verfügungsmacht verschafft, wenn auf ihn die wirtschaftliche Substanz sowie der Wert und der Ertrag eines Gegenstands übergeht. Entscheidend für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Lieferung gemäß der umsatzsteuerlichen Ortsbestimmung (§ 3 Abs. 6 bis 8 UStG). Für die Beurteilung des Vorsteuerabzugs kommt es somit entscheidend auf die Frage an, welche Partei die Verfügungsmacht im Zeitpunkt der Einfuhr innehat. Nur diese kommt als Abzugsberechtigter in Frage. Personen, die lediglich an der Einfuhr mitwirken, jedoch keine Verfügungsmacht erlangen, sind demnach nicht zum Vorsteuerabzug bei der Einfuhrumsatzsteuer berechtigt. Dies gilt selbst dann, wenn sie die Ware tatsächlich über die Grenze gebracht haben, nach zollrechtlichen Vorschriften Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer geworden sind oder diese gezahlt beziehungsweise im Innenverhältnis verauslagt haben, wie etwa Spediteure, Frachtführer, Handelsvertreter oder Zolllagerbetreiber. In bestimmten Ausnahmefällen erkennt die Finanzverwaltung jedoch den Vorsteuerabzug aus der Einfuhrumsatzsteuer auch ohne Verfügungsmacht an. Zu diesen Geschäftsvorfällen zählt beispielsweise die Lohnveredelung oder Beistellung. Hier kann unter bestimmten Bedingungen auch der Auftragnehmer die Einfuhrumsatzsteuer zum Abzug bringen. Wichtig: Mietverhältnisse sind hiervon nicht betroffen. Im Detail ist Abschnitt 15.8 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) zu beachten.

Die Einfuhrumsatzsteuer muss entstanden sein

Die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer richtet sich nach § 13 Abs. 2 UStG, der auf § 21 Abs. 2 UStG verweist. Damit gelten die Zollvorschriften sinngemäß. Gemäß Art. 77 Unionszollkodex (UZK) entsteht die Einfuhrumsatzsteuer zum Beispiel bei einem ordnungsgemäß durchgeführten Verfahren zur Überlassung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr zum Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung. Für die Frage, ob die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abzugsfähig ist, ist ausschließlich deren tatsächliche Entstehung relevant. Es spielt keine Rolle, wer die Einfuhrumsatzsteuer entrichtet oder den eingeführten Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht hat. Für den Nachweis, dass die Einfuhrumsatzsteuer tatsächlich entstanden ist, wird in der Regel auf den Einfuhrabgabenbescheid zurückgegriffen. Dabei kommt es in der Praxis gelegentlich zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung, wenn Abzugsberechtigter und Zollanmelder der Einfuhr nicht identisch sind. Schnell wird unterstellt, dass der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, nicht der Abzugsberechtigte sei, wenn er nicht zugleich Zollanmelder war. Dies ist jedoch falsch, weil der zollamtliche Beleg ausschließlich als Nachweis für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer dient. Er bestimmt nicht, wer zum Vorsteuerabzug der Einfuhrumsatzsteuer berechtigt ist. Auch ergibt sich aufgrund der zollrechtlichen Bestimmungen zur Person des Anmelders, dass der Zollanmelder und der Abzugsberechtigte der Einfuhrumsatzsteuer nicht zwingend identische Personen sein müssen. So kann nach den zollrechtlichen Bestimmungen der Zollanmelder zum Beispiel auch eine Person sein, die am Rechtsgeschäft nicht beteiligt ist. Weicht der Zollanmelder vom Abzugsberechtigten ab, muss Letzterer den Nachweis anderweitig erbringen, dass er im Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr die Verfügungsmacht innehatte. Hierfür kann auf die vertragliche Vereinbarung zurückgegriffen werden. Im Zweifel kann sich auch auf die Billigkeitsregelung des Abschn. 15.11 Abs. 7 Nr. 1 UStAE gestützt werden. Alternativ stellt sich die Frage, ob die zollrechtliche Anmeldung geändert werden kann. Grundsätzlich gestattet Art. 173 UZK dem Zollanmelder auf Antrag, eine oder mehrere Angaben der Zollanmeldung zu ändern. Dies ist unter Einschränkungen auch nach Annahme der Zollanmeldung möglich. Jedoch kann insbesondere die Angabe des „Anmelders“ nicht ohne weiteres geändert werden. So hat bereits das Finanzgericht (FG) Hamburg klargestellt, dass eine Änderung des Zollanmelders nicht möglich ist (FG Hamburg, Urteil vom 20.12.2017, Az. 4 K 240/16). Danach hat der EuGH mit seinem Urteil vom 16.07.2020 (C-97/19) jedoch entschieden, dass eine Änderung bezüglich der nicht kenntlichen gemachten Vertretung des Zollanmelders möglich ist. Wird nachgewiesen, dass vor Abgabe der Zollanmeldung eine Vertretungsvollmacht vorlag, diese jedoch in der Zollanmeldung nicht angezeigt wurde, kann dies nachträglich geändert werden. Beide Urteile ergingen allerdings nicht zu Art. 173 UZK, sondern zur alten Rechtslage des Art. 78 Zollkodex (ZK). Aufgrund der Ähnlichkeit der Normen sollten die Grundsätze der Rechtsprechung weiterhin Anwendung finden. Allerdings ist meines Erachtens der Anwendungsbereich des EuGH-Urteils auf Fehler bei der Anzeige einer Vertretungsregelung beschränkt. Im Umkehrschluss ist es kein Garant, um die Person des „Anmelders“ generell durch einen Dritten austauschen zu können. Dies zeigen auch die Erfahrungen im Umgang mit der Zollverwaltung.

Fallbeispiel 1

Produzent C aus China verkauft Ware an Händler D in Deutschland. D ist voll vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer. Spediteur S übernimmt die Zollanmeldung im Auftrag des D. Die Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr erfolgt in Hamburg. Die Zollanmeldung wird ordnungsmäßig abgeben, S tritt als direkter Vertreter auf. Die Lieferung gilt nach § 3 Abs. 6 UStG in China als ausgeführt. D hat mit Beginn der Versendung die Verfügungsmacht an der Ware erlangt. D ist grundsätzlich berechtigt die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen. Als Belegnacheis, dass die Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist dient der Einfuhrabgabenbescheid. Das S die Einfuhrumsatzsteuer verauslagt hat oder den Gegenstand tatsächlich über die Grenze gebracht hat, ist irrelevant.

Fallbeispiel 2

Produzent C aus China verkauft Ware an Händler D in Deutschland. D ist voll vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer. D erstellt die Zollanmeldung selbst. Eine Mitarbeiterin der Zollabteilung von D gibt versehentlich die Zollanmeldung im Namen der Tochtergesellschaft T des D ab. T ist somit als Anmelder genannt. Die Lieferung gilt nach § 3 Abs. 6 UStG in China als ausgeführt. D hat mit Beginn der Versendung die Verfügungsmacht an der Ware erlangt. D ist grundsätzlich berechtigt die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen. Als Belegnacheis, dass die Einfuhrumsatzsteuer entstanden ist dient der Einfuhrabgabenbescheid. Zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung könnte hier jedoch führen, dass T als Anmelder genannt ist. Sofern D objektiv nachweisen kann, dass D im Zeitpunkt der Abfertigung zum freien Verkehr die Verfügungsmacht innehatte, ist D trotz falscher Anmeldung zum Vorsteuerabzug berechtigt. Hierfür kann auf die vertragliche Vereinbarung mit C zurückgegriffen werden.

Der erfolgreiche Vorsteuerabzug im Rahmen der Einfuhrumsatzsteuer entlastet den betroffenen Unternehmer wirtschaftlich. Damit der Abzug gelingt, ist insbesondere die Frage zu klären, wer im Zeitpunkt der Einfuhr die Verfügungsmacht innehat. Irrelevant ist, wer die Einfuhrumsatzsteuer entrichtete oder den Gegenstand der Einfuhr in das Inland verbracht hat. Damit sind insbesondere Personen, die am Einfuhrprozess lediglich mitwirken, ohne über die Gegenstände verfügen zu können, ausgeschlossen. Zudem können sich bei der Geltendmachung des Vorsteuerabzugs Diskussionen oder Missverständnisse mit der Finanzverwaltung ergeben, wenn der Zollanmelder sowie der berechtigte Unternehmer des Vorsteuerabzugs nicht identisch sind.

Alexander Scherzinger

Steuerberater, Fachberater für Zölle und Verbrauchsteuern, Master of Science sowie Partner der ECOVIS BayLa-Union GmbH Steuerberatungsgesellschaft in München.