Mit der Einigung des ECOFIN-Rats vom 13. Mai 2025 und der Verabschiedung der Richtlinie (EU) 2025/1539 am 18. Juli 2025 erhält die Besteuerung aus umsatzsteuerlicher Perspektive von aus Drittstaaten eingeführten Waren eine grundlegende Neuausrichtung. Ziel der Europäischen Union (EU) ist es, die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer bei Fernverkäufen eingeführter Gegenstände ab dem 1. Juli 2028 deutlich zu verbessern und die Steuerschuld systematisch vom Erwerber auf den Lieferer oder den fiktiven Lieferer zu verlagern. Für Unternehmen, die grenzüberschreitend Waren an EU-Verbraucher liefern, ergeben sich damit weitreichende Änderungen: Die Nutzung des Import-One-Stop-Shop (IOSS) wird attraktiver. Gleichzeitig werden bestehende Sonderregelungen gestrichen und neue Haftungsmechanismen eingeführt. Der folgende Beitrag ordnet die geplanten Anpassungen ein, zeigt die Funktionsweise des neuen Systems und erläutert, worauf sich betroffene Händler, Plattformen und Dienstleister künftig einstellen müssen.

Gesetzlicher Rahmen und aktuelle Systematik

Werden Gegenstände in das Steuergebiet der EU zum Zweck des Verkaufs eingeführt, so werden grundsätzlich systematisch zwei Umsätze verwirklicht. Zum einen werden Gegenstände aus dem Drittland durch Abfertigung zum steuerrechtlich freien Verkehr eingeführt [§ 1 Abs. 1 Nr. 4 Umsatzsteuergesetz (UStG)] und zum anderen werden diese Gegenstände aus dem Drittland in das Unionsgebiet geliefert (§ 3 Abs. 1 UStG). Sofern ein im Drittland ansässiger Händler seine Waren über einen Online-Marktplatz – der sogenannten elektronischen Schnittstelle – an einen im Europäischen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Erwerber verkauft, wird grundsätzlich gemäß § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG eine Lieferkette zwischen diesen drei Beteiligten fingiert. Gemäß § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG gilt Gleiches auch für Waren mit einem Sachwert von bis zu 150 Euro. Dies ist deshalb bedeutsam, da Sendungen bislang mit einem Sachwert von nicht mehr als 150 EUR zollfrei in das Unionsgebiet geliefert werden können. Diese Lieferkettenfiktion bedingt, dass der Online-Marktplatz, da er den Fernverkauf von Waren aus dem Drittland unterstützt, gemäß § 3 Abs. 3a UStG so behandelt wird, als ob er diese Waren für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies hat zur Konsequenz, dass die Warenbewegung zwingend der Lieferung des Online-Marktplatzes zugeschrieben wird (§ 3 Abs. 6b UStG) und der Ort der Lieferung befindet sich gemäß § 3c Abs. 3 Satz 3 UStG in dem Empfangsland, in dem der Erwerber ansässig ist.   

Um eine Registrierung des Online-Marktplatzes – aufgrund der Lieferkettenfiktion des § 3 Abs. 3a UStG – in den jeweiligen EU-Mitgliedsstaaten der Erwerber zu vermeiden, besteht für den Online-Markplatz das Wahlrecht zur Nutzung des sogenannten IOSS-Verfahrens. Es ermöglicht dem Online-Marktplatz mit nur einer Registrierung in einem EU-Mitgliedstaat sämtliche Deklarationspflichten in den anderen EU-Mitgliedstaaten zu erfüllen. Meldet der Online-Marktplatz die Einfuhr über das IOSS-Verfahren an, wird damit die Umsatzsteuer für die fiktive Lieferung an den Käufer zentral über dieses Verfahren abgeführt. In diesem Fall bleibt die Einfuhr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG steuerfrei. Hierfür ist zwingend erforderlich, dass die Gültigkeit der IOSS-Identifikationsnummer durch die jeweilige Zollstelle geprüft wird. Wird auf die Ausübung des Wahlrechts zur Nutzung des IOSS-Verfahrens verzichtet, kommen folgende Besteuerungsverfahren in Betracht:

  1. Einfuhr durch den Onlinehändler im Normalverfahren (ggf. über eine indirekte Zollvertretung): Die Einfuhr in das Zollgebiet der Union sowie die fiktive Lieferung des Marktplatzes an den Erwerber sind steuerpflichtig. Bei Lieferungen an Erwerber in mehreren EU-Ländern wären zudem in mehreren EU-Ländern eine umsatzsteuerliche Registrierung erforderlich. 
  2. Einfuhr durch den Erwerber im Normalverfahren: Die Einfuhr in das Zollgebiet der Union durch den Erwerber ist steuerpflichtig, aber die der Einfuhr vorangehende fiktive Lieferung des Online-Marktplatzes an den Erwerber ist gemäß § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei. Somit ist eine umsatzsteuerliche Registrierung des Online-Marktplatzes nicht erforderlich. 
  3. Einfuhr durch den Zusteller im Namen und für Rechnung des Erwerbers nach § 21a UStG: Die Einfuhr in das Zollgebiet der Union durch den Zusteller im Namen und für Rechnung des Erwerbers ist steuerpflichtig, aber die der Einfuhr vorangehende fiktive Lieferung den Online-Marktplatzes an den Erwerber ist gemäß § 4 Nr. 4b UStG steuerfrei. Auch in diesen Fällen ist eine umsatzsteuerliche Registrierung des Online-Marktplatzes im Empfangsland nicht erforderlich.  

Reformbedarf - bisheriges IOSS-Wahlrecht blieb wirkungslos

Mit dem Wahlrecht zur Nutzung des IOSS-Verfahrens sollten Unternehmer aus einem Drittland dazu animiert werden, ihre steuerlichen Pflichten innerhalb der EU zu erfüllen. Denn nur durch die Nutzung des IOSS-Verfahrens können diese von der Einfuhrumsatzsteuer-Befreiung Gebrauch machen. Der erhoffte Effekt blieb jedoch aus. Täglich gelangen zahlreiche Sendungen unter missbräuchlich verwendeten IOSS-Identifikationsnummern abgabenfrei in die EU, ohne dass die entsprechende Umsatzsteuer deklariert wird. Hintergrund ist, dass den Zollbehörden bislang die Möglichkeit fehlt zu überprüfen, ob eine angegebene IOSS-Identifikationsnummer tatsächlich dem betreffenden Unternehmer zuzuordnen ist und ob dieser seinen aktuellen IOSS-Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist. Im Rahmen des sogenannten ViDA-Pakets wurde nunmehr beschlossen, eine Verknüpfung der IOSS-Identifikationsnummer mit der betreffenden Sendung herzustellen. Doch die Unternehmer aus Drittstaaten überschwemmten weiterhin – ohne das Wahlrecht zu nutzen – den EU-Markt mit günstigen Produkten und übertrugen die Einfuhrverpflichtungen regelmäßig auf die Endkunden. Damit umgingen sie effektiv ihren steuerlichen Pflichten in der EU. Diese Vorgehensweise wurde häufig kritisiert, da sie einerseits zu Wettbewerbsverzerrungen zulasten europäischer Händler führt und andererseits dem Ziel widerspricht, die aus der Einfuhr resultierende Umsatzsteuerschuld vom Erwerber auf den Onlinehändler oder Online-Marktplatz zu verlagern.

Geplante Ausweitung des IOSS

Der EU-Rat ECOFIN hat sich nunmehr in seiner Sitzung vom 13. Mai 2025 darauf geeinigt, dass ab dem 1. Juli 2028 Online-Marktplätze aus einem Drittland verpflichtend zum Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer werden sollen. Eine Übertragung der Steuerpflicht auf den Erwerber wäre damit ausgeschlossen. Dieses verpflichtende Modell soll einen deutlichen Anreiz schaffen, den IOSS zu nutzen, da die Einfuhr bei Anwendung des IOSS-Verfahrens weiterhin gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG steuerfrei bleibt. Online-Marktplätze können ihre Einfuhren allerdings weiterhin – wie bereits oben unter a) beschrieben – im Normalverfahren abwickeln. In diesem Fall können sie die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen und die aus der steuerpflichtigen Lieferung an den Erwerber resultierende Umsatzsteuer im Rahmen des regulären Besteuerungsverfahrens melden und abführen. Befindet sich der Online-Marktplatz jedoch in einem Drittland müsste dieser Unternehmer, sollte er nicht in der EU ansässig sein, einen Steuervertreter bestellen, der diese Pflicht wahrnimmt. Zudem sollen die Sonderregelungen über die Einfuhrabwicklung durch Spediteure und Kurierdienstleister – im UStG in § 21a UStG umgesetzt (siehe oben unter c) – gestrichen werden.

Folgen für die Praxis

Diese Änderungen sollen nach Ansicht des Rats für ausländische Plattformen einen Anreiz für die Nutzung des IOSS) darstellen. Der IOSS ermöglicht Unternehmern, über eine Registrierung in einem EU-Mitgliedstaat umsatzsteuerbare Leistungen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zentral zu erklären, während diese sich ansonsten in jedem Mitgliedstaat registrieren lassen müssten. Die geplante Neuregelung würde die Umsatzsteuererhebung im E-Commerce stabilisieren und die Einhaltung der steuerlichen Vorgaben bei Einfuhren verbessern. Da die Umsatzsteuer für die fiktive Lieferung an den Käufer im IOSS-Verfahren bereits beim Kauf entrichtet wird, kann keine Ware ohne vorherige Steuerzahlung oder entsprechende Registrierung in die EU gelangen. Damit ist die Regelung grundsätzlich zu begrüßen, verlangt jedoch intensivere Prüfungen durch die zuständigen Behörden. Viele Online-Marktplätze nutzen aktuell bereits das IOSS-Verfahren für die Einfuhrabwicklung, um den administrativen Aufwand des Endkunden zu reduzierten und die Kundenzufriedenheit im wettbewerbsreichen E-Commerce zu erhöhen. Dennoch würde ein erheblicher Teil der Einfuhren – nach heutigem Stand – auch nach dem 1. Juli 2028 nicht über den IOSS erfolgen. Ein wesentlicher Fortschritt für den E-Commerce wäre erst dann zu erwarten, wenn die vielfach kritisierte 150-EUR-Wertgrenze gemäß der Zollbefreiungs-Vorordnung tatsächlich abgeschafft würde. Am 13. November 2025 einigten sich hierzu die EU-Finanzminister im ECOFIN auf eine Abschaffung dieser Zollfreigrenze bereits für das Jahr 2026. Es bleibt daher abzuwarten, wie diese Abschaffung in Anbetracht der Kürze der Zeit tatsächlich ausgestaltet wird und welche Übergangsvorschriften vorgesehen sind. 

Karina Kemper LL.M.(Tax)
Steuerberaterin und Senior Managerin bei der WTS Group am Standort Düsseldorf

Dr. Alexander Weitz, Dipl-Kfm.
Director bei der WTS Group am Standort Düsseldorf