In Deutschland werden unter dem Thema „Mergers & Acquisitions“ (M&A) neben klassischen Unternehmenskäufen und -verkäufen regelmäßig auch Unternehmensnachfolgen, der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen sowie Sonderformen, wie die Beteiligung des bestehenden Managements (Management-Buy-out) oder eines neuen Managements (Management-Buy-in) gefasst. Allzu oft sind die Mandanten beziehungsweise beteiligten Unternehmen – im M&A-Kontext wird das zum Verkauf stehende Unternehmen dabei regelmäßig als Zielgesellschaft bezeichnet – hierauf nur unzureichend vorbereitet. Insbesondere liegen keine oder nicht ausreichend gut begründete Werteinschätzungen zur Zielgesellschaft und einem möglichen M&A-Wert vor. Umso wichtiger wird die fachliche Spezialisierung des Steuerberaters an dieser Stelle, denn er ist der erste Ansprechpartner und regelmäßig auch der engste Berater und Vertraute des Mandanten.
Cash-free/Debt-free
In M&A-Transaktionen haben sich wichtige Definitionen und Begriffe der Unternehmensbewertung manifestiert. Ein wesentliches Konzept dabei ist das Cash-free/Debt-free-Konzept. Bewertungsmodelle für Unternehmen bilden regelmäßig den jeweiligen Unternehmensgesamtwert (Enterprise Value) unter der Prämisse ab, dass das Unternehmen zum Stichtag frei von Barmitteln und Finanzschulden ist (Cash Free/Debt free).
Dies entspricht natürlich nicht der wirtschaftlichen Realität. Unternehmen sind zu einem jeweiligen Transaktionsstichtag mit Darlehen und Schulden fremdfinanziert und/oder verfügen über entsprechende Barmittel im Unternehmen, wie etwa Kasse oder liquide Bankguthaben. Um den Wert der Anteilseigner (Eigenkapitalwert Value) zum Stichtag zu ermitteln, müssen daher alle Cash- und Schulden-Positionen zum Enterprise Value hinzugezählt beziehungsweise davon abgezogen werden. Hierzu wird eine sogenannte Equity-Bridge bestimmt. Im Wege von Verhandlungen zwischen den Parteien muss dann Einigung darüber erreicht werden, was Cash- und was Debt-Positionen sind. Hierüber gibt es in der Praxis natürlich regelmäßig Streit. Klassische und allgemein akzeptierte Schuldpositionen sind zum Beispiel Bank- und Steuerschulden oder die Pensionsansprüche des bisherigen Betriebsinhabers. Kein Käufer wird für die Pension des bisherigen Inhabers oder seiner Steuern aufkommen, ohne die bei der Bewertung zu berücksichtigen. Beim Cash-free/Debt-free-Konzept wird das Unternehmen und seine Schulden konkret bewertet. Wird vom Marktwert des Unternehmens der Marktwert der Schulden abgezogen, ergibt sich als Residualwert der Marktwert des Eigenkapitals (siehe Grafik).
Multiples
Neben der strittigen Auseinandersetzung über Schulden und Cash wird insbesondere hart um die grundsätzliche Unternehmensbewertung gerungen, also die Bestimmung der jeweiligen Säule in der Grafik. Hier ist es wichtig zu wissen, dass ein Verweis auf das im Steuerrecht hinterlegte vereinfachte Ertragswertverfahren nicht sachgerecht ist. Regelmäßig werden stattdessen nachhaltige Ergebnis-Größen, wie etwa EBITDA oder EBIT, bestimmt, die so dann mit einem sachgerechten Vervielfältiger, den sogenannten Multiples hochgerechnet werden. Bei einem EBITDA-Multiple von 5 x bedeutet dies, dass das Zielunternehmen fünf Jahre hintereinander zumindest das gleiche, konkrete Ergebnis bringen muss, bis der Käufer damit ein Geschäft macht.
Exklusive Verhandlungen
Exklusive Verhandlungen finden im Idealfall mit nur einer Interessentin, dem idealtypischen Erwerber statt. Diesem bestmöglichen Erwerber wird ein exklusiver und vertraulicher Status eingeräumt. Exklusiv ist dabei nicht gleich exklusiv. Dem Verhandlungspartner kann entweder eine Verhandlungsexklusivität (keine Verhandlung mit anderen Parteien) und/oder eine Abschlussexklusivität (kein Abschluss mit einer anderen Partei) als Variante zugesagt werden. Exklusive Verhandlungen sind intensiver und versprechen dem potenziellen Käufer oft eine höhere Transaktionssicherheit. Nach der Bestimmung des idealtypischen Erwerbers werden wesentliche Transaktionsparameter, insbesondere ein vorläufiger Kaufpreis, meist in einer Absichtserklärung, dem sogenannten Letter of Intent (LoI) gefasst. Neben dem Begriff LoI finden sich in der Praxis auch immer Varianten von Begriffen, wie Term Sheet (TS) oder Memorandum of Understanding (MoU). Auch wenn diese Dokumente keine rechtliche Bindungswirkung entfalten, ist ihre psychologische Bindungswirkung im Sinne eines Vorvertrags der Parteien nicht zu verachten.
Da eine M&A-Transaktion ein wichtiger, womöglich sogar der wichtigste Part im Lebenszyklus eines Unternehmens darstellt, sollte die Transaktion natürlich gut vorbereitet sein. Hier haben sich im Markt standardisierte Instrumente etabliert, die einem potenziellen Erwerber die Beurteilung der Zielgesellschaft hinsichtlich Chancen und Risiken vereinfachen sollen. Eine eigene Unternehmensbewertung und die Beurteilung einer möglichen M&A-Bewertung gehören hier explizit dazu. Der steuerliche Berater unterstützt insbesondere bei der Kaufpreiseinschätzung oder er hilft bei der Erstellung sogenannter Tax Fact Books. Mit einem Tax Fact Book können komplexe steuerliche Hintergründe, die steuerliche Ist-Situation sowie steuerliche Besonderheiten der Zielgesellschaft transparent gemacht werden. Beispiele der in einem Tax Fact Book darstellbaren Strukturierungen sind Betriebsaufspaltungen, historische steuerliche Umstrukturierungen oder historisch getriebene Gestaltungen. Nicht selten ist auch die sogenannte Due Diligence Teil einer exklusiven Verhandlung. Eine Due Diligence ist ein strukturierter Untersuchungs- und Informationsbeschaffungsprozess, mit dem ein potenzieller Käufer die Zielgesellschaft primär nach Risiken, aber auch Chancen durchleuchtet. Regelmäßig, gerade bei nicht prüfungspflichtigen Unternehmen, wird der steuerliche Berater der Zielgesellschaft dabei erster Ansprechpartner für Zahlen und Erläuterungen sein. Die Due Diligence kann sehr arbeitsintensiv sein, denn potenzielle Erwerber wollen die Zielgesellschaft und ihre Ertragschancen verstehen und durchleuchten. Umso wichtiger sind auch hier die Prozessvorbereitung und das Management des Q&A-Prozesses, bei denen der künftige Inhaber auch eine ganze Reihe steuerlicher Fragen stellt.
Strukturierte Bieterprozesse
In Abgrenzung zu exklusiven Verhandlungen zielen auktionierte Bieterprozesse darauf ab, Gebote gleich mehrerer potenzieller Bieter einzuholen und zu validieren. Durch einen möglichen Bieterwettstreit soll der höchstmögliche Unternehmenswert in einem Auktionsverfahren realisiert werden. Strukturierte Bieterprozesse stellen hohe Anforderungen an die Vertraulichkeit. Neben diesbezüglichen Risiken besteht der Unterschied zu exklusiven Verhandlungen in einer deutlich höhere Komplexität, da gleichzeitig mehrere Bieter zu betreuen sind. Strukturierte Bieterprozesse erfordern es daher, die für die Durchführung des Prozesses notwendigen Dokumente, wie Teaser und Prozessbrief oder Vertraulichkeitsvereinbarungen in einem ausführlichen Informationsmemorandum beziehungsweise Vertragsentwurf vorzubereiten. Mit dem Teaser und der Vorlage einer Vertraulichkeitsvereinbarung werden die identifizierten Interessenten, das sogenannte Bieteruniversum oder die Long List angesprochen. Das Bieteruniversum sollte in enger Zusammenarbeit mit der Zielgesellschaft vorbereitet werden und sehr sorgsam ausgewählt werden. Es ist die Grundlage für einen erfolgreichen M&A-Prozess. Der Teaser stellt die Zielgesellschaft dabei kurz und prägnant, aber noch anonymisiert dar. Mit dem Teaser wird auch eine Vertraulichkeitsvereinbarung (Non Disclosure Agreements, kurz: NDA) versandt. Interessenten, die diese NDA unterzeichnen, erhalten in einem zweiten Schritt Zugang zu einem sogenannten Information Memorandum (Info-Memo), dass die Zielgesellschaft, ihr Geschäfte, ihren Markt und ihre Produkte detaillierter beschreibt.
Die Tiefe der in diesem Memo präsentierten Informationen und Details hängt von der jeweiligen Zielgesellschaft und der Komplexität der Transaktion ab. Neben dem Informationsmemorandum erhalten Bieter, die die Vertraulichkeit zugesichert haben, einen sogenannten Prozess Brief (Process Letter), der zum Beispiel den Transaktionsablauf, das weitere Vorgehen und die Erwartungen des Verkäufers an die Bieter, ihre Bewertungen und ihre Finanzierungen darlegt. Die Interessenten werden dann gegebenenfalls mit einer Deadline aufgefordert, dezidierte Angebote, sogenannte indikative Angebote, vorzulegen, die vom Verkäufer verglichen und evaluiert werden. Lediglich den besten Bietern beziehungsweise den höchsten Geboten wird dann eine strukturierte Due Diligence-Phase eingeräumt, mit dem Ziel von den verbliebenen Bietern sogenannte Binding-Offers zu erhalten. Der englische Begriff „Binding“ ist an dieser Stelle missverständlich, da diese Angebote natürlich nicht rechtlich verbindlich sind. Mit dem oder den besten Binding Offers werden dann konkrete Vertragsverhandlungen aufgenommen, mit dem Ziel einen Unternehmenskaufvertrag – Asset Deal oder Share Deal – durch notarielle Beurkundung abzuschließen.
Signing, Closing und Kaufpreisabrechnung
„Wer schreibt, der bleibt“. Dieses alte Juristensprichwort gilt bei einer M&A-Transaktion in besonderem Maße. Geschrieben und gerungen wird um den Unternehmenskaufvertrag, der neben dem Kaufgegenstand und dem Kaufpreis wesentliche Fragen der Haftung, der Garantien und Freistellungen, Wettbewerbsverbote und nachvertragliche Pflichten regelt. Auch hier ist der steuerliche Berater der Zielgesellschaft gefordert, Regelungen zum Kaufpreis und steuerliche Konsequenzen zu ermitteln und steuerliche Nachlauffristen im Auge zu behalten. Gerade auf den Steuerklauseln wird ein besonderes Augenmerk liegen. Unter Umständen nimmt der Steuerberater auch am Notartermin teil, dem sogenannten Signing, oder er überwacht die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums, das sogenannte Closing, sowie den Eintritt der dafür erforderlichen Bedingungen. Schließlich könnte er auch bei der finalen Abrechnung eines variabel vereinbarten Kaufpreises unterstützen, was als sogenannter Closing-Account bezeichnet wird.
Besonders Augenmerk wird hier auch auf die Verhandlung der Steuerklausel liegen, denn keiner kennt die steuerlichen Besonderheiten und Sachverhalte der Vergangenheit so gut, wie die Steuerberaterin!
Der Autor
Christian Gerber
Wirtschaftsprüfer, Diplom-Ökonom und Chartered Financial Analyst (CFA). Er ist auf die Begleitung von M&A-Transaktionen und die Durchführung von Unternehmensbewertungen spezialisiert. Aus seiner Kanzlei in Düsseldorf heraus betreut er insbesondere mittelständische Mandanten beziehungsweise Familienunternehmen bei Unternehmensbewertungen und Durchführung von M&A-Transaktionen bundesweit.