Über Jahrzehnte hinweg war es für Investoren lukrativ, vermietete Häuser in Eigentumswohnungen umzuwandeln und diese danach mit deutlichem Gewinn als von den Käufern selbstgenutzte Wohnungen zu verkaufen. Die ehemaligen Mieter verloren ihre Wohnungen relativ schnell infolge Eigenbedarfskündigungen der Erwerber. Um dieser Praxis Einhalt zu gebieten, führte der Gesetzgeber § 577a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ein. Diese Norm verhindert Kündigungen zwar nicht, verzögert diese aber spürbar. Denn nach dieser Vorschrift kann ein neuer Eigentümer seine vermietete Wohnung wegen Eigenbedarfs grundsätzlich erst nach Ablauf von drei Jahren nach Erwerb der Wohnung kündigen. Diese Sperrfrist kann gemäß § 577a Abs. 2 BGB durch Landesverordnungen auf bis zu zehn Jahre verlängert werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich nun mit der Frage zu beschäftigen, wann nach der Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum die Kündigungssperrfrist für Kündigungen aufgrund Eigenbedarfs zu laufen beginnt; etwa schon mit Kauf der Immobilie durch einen Investor oder erst mit Eigentumsübertragung an den neuen Eigentümer der Immobilie.
Ausgangsfall 1
Die beklagte Frau (F) war seit 2004 Mieterin einer Wohnung in einem Anwesen in München. 2011 erwarb eine GmbH & Co. KG (G) das Eigentum am Hausgrundstück und wandelte 2012 einzelne Wohnungen in Eigentumswohnungen um. Im Februar 2016 veräußerte die GmbH & Co. KG die Wohnung an den Kläger (K). Im September 2022 kündigte K der F das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs und forderte die Räumung der Wohnung zum 31. März 2023. Die F hielt die Kündigung für unwirksam, da die Kündigungssperrfrist nach § 577a Abs. 1 BGB noch nicht abgelaufen war. Sie habe erst mit Erwerb des Grundstücks durch den K begonnen, also 2017 und laufe entsprechend erst 2027 ab. Der K hingegen stellte sich auf den Standpunkt, die Frist habe bereits früher begonnen, und zwar bei der Umwandlung in Wohnungseigentum 2012. Also habe er 2022 kündigen dürfen.
Urteil 1
Der BGH gab der F Recht. Er entschied, dass die Kündigungssperrfrist gemäß § 577a BGB mit Erwerb der Wohnung durch den K im März 2017 begann und nicht bereits mit Erwerb des ungeteilten Grundstücks durch die G (BGH, Urt. v. 06.08.2025 - Az. VIII ZR 161/24). Das bedeutet, dass K die Kündigung erst 2027 aussprechen kann, da in München gemäß Landesverordnung eine 10-Jahres-Sperrfrist gilt. Die Ausnahme des § 577a Abs. 1a BGB, wonach die Frist bereits mit Veräußerung des vermieteten Wohnraums beginnt, ohne dass zuvor eine Umwandlung in Wohnungseigentum nötig ist, greife hier nicht. § 577a Abs. 1a BGB wurde eingeführt, weil Investoren ein Umgehungsmodell entwickelt hatten, um die Sperrfrist zu vermeiden – das sogenannte „Münchener Modell“. Erwerbergemeinschaften kauften mit Unterstützung des Bauträgers ein komplettes Haus mit mehreren Wohnungen. Im Anschluss daran kündigte die Gemeinschaft einzelnen Mietern wegen Eigenbedarfs der Gesellschafter. Erst danach wurden die Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und anschließend unter den Gesellschaftern aufgeteilt. § 577a Abs. 1a BGB schob dieser Praxis einen Riegel vor, da die Kündigungssperrfrist in diesen Fällen unabhängig von der Umwandlung in Wohnungseigentum bereits mit der Veräußerung beginnt. Die Sperrfrist begann in diesem Fall also schon früher. Die Mieter waren somit sicher geschützt, umgekehrt profitieren spätere Käufer von einer abgelaufenen oder jedenfalls verkürzten Sperrfrist. Laut BGH greift im konkreten Fall die Ausnahme des § 577a Abs. 1 BGB aber nicht. Bei der G als einer GmbH & Co. KG sei die Ausnahme trotz der weiten Formulierung „Personengesellschaft“ nicht anzuwenden. Denn die G könne – anders als eine Gruppe von Erwerbern – nicht wegen Eigenbedarfs kündigen. Daher müsse ein Mieter auch nicht vorzeitig geschützt werden, so dass es beim normalen Fristbeginn ab Neuerwerb bleibe. Der BGH macht in seinem Urteil deutlich, dass er den Wortlaut der Norm vorliegend als „zu weit gefasst“ ansieht und daher dem Sinn und Zweck nach reduziert. Er betont zudem, dass er sich mit der Entscheidung gegen die überwiegende Ansicht in der Literatur wendet. Deren Argument, dass eine GmbH & Co. KG eine Verwertungskündigung aussprechen könne und insofern der Mieter auch in dieser Konstellation schutzbedürftig sei, überzeuge den BGH nicht. Dem komme für die Vorschrift des § 577a BGB keine „maßgebliche Bedeutung“ bei.
Ausgangsfall 2
Ein Vermieter (V) hatte seinem im selben Haus wohnenden Mieter (M) wegen Eigenbedarfs gekündigt und den Schritt damit begründet, dass er seine Wohnung über mehrere Monate hinweg umbauen und mit dem darüber hinaus noch auszubauenden Dachgeschoss verbinden will. Anschließend wolle er diese dann verkaufen. Während des Umbaus benötige er die Wohnung des M. V klagte schließlich auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. In der Vorinstanz wurde noch entschieden, dass bei V kein ausreichender Eigenbedarfsgrund vorliege. Laut Gesetz müsse der Vermieter die Wohnung benötigen. V benötige die Wohnung aber nicht, sondern wolle mit dem Umbau nur einen bestmöglichen Verkaufspreis erzielen. Dieses reine Verwertungsinteresse stehe einem Eigenbedarf rechtlich nicht gleich, entschied das Landgericht (LG) Berlin.
Urteil 2
Der BGH sah dies anders und gab dem V Recht. Das LG Berlin habe den Umbau- und Verkaufswunsch des V nicht ausreichend berücksichtigt. V könne grundsätzlich den damit einhergehenden Eigenbedarf geltend machen – auch wenn er diesen Bedarf mit dem Umbauwunsch selbst geschaffen hat. Mit dieser Entscheidung (BGH, Az.: VIII ZR 289/23) zugunsten der Vermieter hat der BGH das Kündigen aufgrund Eigenbedarfs erleichtert. Benötigt ein im selben Haus wohnender Vermieter die Wohnung seines Mieters, damit er seine eigenen Räumlichkeiten umbauen und anschließend verkaufen kann, liegt in der Regel ein ausreichender Grund für Eigenbedarf, und damit eine Eigenbedarfskündigung vor, so jedenfalls entschieden die obersten deutschen Richter in Karlsruhe.
Robert Brütting
Rechtsanwalt in Nürnberg sowie Fachjournalist Steuern und Recht und Redakteur beim DATEV magazin.