Seit Juli 2025 ist Dr. Markus Algner Chief Markets Officer bei DATEV. Im Interview erklärt er, warum die digitale Transformation mehr erfordert als eine Umstellung der Technik. Und warum er persönlich zuversichtlichtlich ist, dass sie gelingt.
DATEV magazin: Herr Dr. Algner, Sie sprechen im Zusammenhang mit digitaler Transformation oft von Zuversicht als Haltung. Was genau meinen Sie damit?
Dr. Markus Algner: Zuversicht ist für mich keine naive Hoffnung, sondern eine bewusste, zukunftsgerichtete Erwartungshaltung. Es geht darum, Veränderung nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu begreifen. Die Digitalisierung – und mit ihr Entwicklungen wie künstliche Intelligenz (KI), Automatisierung oder die Cloud – ist kein Selbstzweck. Sie verändert unseren Arbeitsalltag, unsere Aufgabenfelder und unsere Zusammenarbeit. Aber wenn wir sie gemeinsam gestalten, mit klaren Werten und einem Zielbild, entsteht daraus etwas sehr Kraftvolles. Genau das verstehe ich unter Zuversicht: ein konstruktives Vorwärtsdenken mit Blick auf das Machbare – aber eben auch auf das Wünschenswerte.
Welche Rolle spielt DATEV in diesem Prozess?
Eine zentrale. Und zwar nicht nur als reiner Lösungsanbieter, sondern auch als Partner auf Augenhöhe. Wir sind eine Genossenschaft, das prägt unser Selbstverständnis. Unsere Mitglieder sind keine Kunden im klassischen Sinn. Sie sind Mitgestalter, Mitentscheider und Mitverantwortliche. In diesem Verbund können wir Dinge bewegen, die andere so nicht können. DATEV bietet ein sicheres, verlässliches Umfeld, aber wir fordern auch heraus. Denn echte Transformation entsteht nicht durch Abwarten, sondern durch aktives Handeln.
Was raten Sie Kanzleien, die noch unsicher sind, wie sie den digitalen Wandel angehen sollen?
Viele sprechen von Digitalisierung, als wäre sie ein Ziel. Ein Zustand, den man irgendwann erreicht. Dabei ist Digitalisierung ein kontinuierlicher Prozess. Es geht nicht um alles oder nichts, sondern um viele kluge Schritte. Wir sehen bei unseren Mitgliedern ganz unterschiedliche Ausgangslagen. Einige Kanzleien sind bereits weit vorn, andere tasten sich erst vorsichtig heran. Beides ist in Ordnung. Wichtig ist nur, überhaupt zu starten. Klar ist aber auch: Wer langfristig erfolgreich bleiben will, muss sich bewusst machen, dass die Prozesse der Zukunft digital laufen werden. Wer heute beginnt, kann morgen gestalten. Wer wartet, muss später unter höherem Druck aufholen. Deshalb begleiten wir den Wandel eng – mit Schulungen, Beratungen, Pilotierungen und mit einem offenen Ohr.
Was bedeutet das für die Zusammenarbeit mit den Mandanten?
Die verändert sich stark. Steuerberaterinnen und Steuerberater sind längst nicht mehr nur „Erklärer der Vergangenheit“. Sie sind Prozessgestalter, Digitalberater, manchmal auch Coaches oder ausgelagerte CFOs des Mittelstands. Für diese Rollenvielfalt sind Freiräume notwendig, die entstehen, wenn Standardprozesse digital abgebildet und automatisiert werden. Beispiele dafür sind DATEV Unternehmen online oder MyDATEV Kanzlei: Hier ermöglichen wir eine durchgängige Zusammenarbeit, ohne Medienbrüche. Mit KI-Lösungen wie dem Automatisierungsservice Rechnungen oder LEXchat setzen wir genau dort an. Wir schaffen Freiräume, damit unsere Mitglieder mehr Zeit für ihre Mandanten haben.
Das setzt voraus, dass die Anwender der KI vertrauen. Aktuell löst sie häufig Unsicherheiten aus.
Entscheidend ist, dass sich unsere Mitglieder auf die Technologie verlassen können. Datenschutz, Nachvollziehbarkeit und fachlicher Mehrwert waren für uns noch nie verhandelbar. DATEV steht auch bei KI für einen verantwortungsvollen Einsatz. Was wir anbieten, muss verlässlich funktionieren. Dazu gehören auch Experimentierräume wie unsere KI-Werkstatt, in der Mitglieder neue Anwendungen ausprobieren und Feedback geben können. Dafür braucht es Transparenz, Dialog und klare Leitplanken. Nur so entsteht Vertrauen – und am Ende echte Transformation.
Ist KI auch eine Antwort auf Herausforderungen wie Fachkräftemangel, zunehmende Mandatsanfragen und neue regulatorische Anforderungen?
Absolut. Gerade kleine und mittlere Kanzleien spüren diese Herausforderungen stark. Sie brauchen Lösungen, die entlasten, ohne zu überfordern. Deshalb ist unsere Herangehensweise immer pragmatisch. Ja, KI ist eine zentrale Antwort, aber nicht die einzige. Wir entwickeln keine Technik, um ihrer selbst willen, sondern weil sie konkret hilft. Ein gutes Beispiel ist unser Automatisierungsservice Rechnungen: Er erzeugt Buchungsvorschläge auf Basis digitaler Belege und übergibt sie direkt an DATEV Kanzlei-Rechnungswesen, wo sie in vertrauten Prozessen weiterbearbeitet werden können.
Was wünschen Sie sich für den Dialog mit den Mitgliedern in Ihrer neuen Rolle als CMO?
Vor allem Offenheit. Ich habe zuvor den Bereich Service und Logistik geleitet und weiß, wie wertvoll der direkte Draht zu unseren Mitgliedern ist. Ich wünsche mir ehrliche Gespräche: Was läuft gut? Wo hakt es? Wo braucht es mehr Unterstützung, mehr Mut, mehr Erklärung? DATEV hat kein Interesse an Hochglanzprospekten. Wir wollen zuhören, lernen und gemeinsam besser werden.
Was macht Ihnen persönlich Mut in dieser Zeit des Wandels?
Die Menschen. Ich habe in den letzten Monaten viele Kanzleien erlebt, die mit einer unglaublichen Klarheit und Haltung vorangehen. Die nicht alles perfekt machen, aber ins Handeln kommen. Die Fragen stellen, statt alles sofort zu bewerten. Und die zeigen: Wandel beginnt im Kopf – und lebt durch Gemeinschaft. Dieses Miteinander und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sind für mich die stärksten Mutmacher überhaupt.
Dr. Markus Algner
ist Chief Markets Officer bei DATEV. Er ist seit fast 20 Jahren in unterschiedlichen Funktionen für das Unternehmen tätig und setzt sich für einen verantwortungsvollen, praxisnahen und partnerschaftlichen Einsatz neuer Technologien ein – mit klarem Fokus auf die Bedürfnisse von Mitgliedern und deren Mandanten.