Portrait Irina Heitmeyer

Es gab keinen Blitz, der krachend einschlug, nicht die eine Situation, in der klar wurde, dass sich etwas grundlegend ändern muss. Es waren und sind eher Momentaufnahmen, die sich verändern wie Wolken das Bild des Himmels. Einsichten, dass es Zeit wird, den nächsten Schritt zu gehen bei der digitalen Strategie.

Die Kanzlei Wortmann & Partner aus dem westfälischen Rheda-Wiedenbrück sieht sich bei der digitalen Transformation gut aufgestellt und hat früh damit begonnen. „Bereits im Jahr 2007 sind wir mit DATEV Unternehmen online gestartet“, sagt Steuerberaterin Irina Heitmeyer, seit 2021 Partnerin der Kanzlei. Rückblickend gab es zumindest einen gefühlten Wendepunkt: den Beginn der Covid-19-Pandemie im Frühjahr 2020. Plötzlich war nichts mehr wie gewohnt, nur noch eine Person pro Büro erlaubt, Kolleginnen und Kollegen gingen ins Homeoffice, die Papierakten blieben in der Kanzlei. Von nun an galt: Flexibilität statt Routine. Alle ahnten, dass ab jetzt alles anders wird.

Irina Heitmeyer hat aus dieser Zeit die Erkenntnis mitgenommen, dass Wandel kein sich lange ankündigendes, in sich geschlossenes Projekt ist – sondern der Normalzustand. Ob man will oder nicht. Eine solche Zwangslage verbinden die meisten Menschen nicht unbedingt mit Zuversicht. Wortmann & Partner ist das Gegenbeispiel: eine Kanzlei, die die Veränderung mutig anging und heute optimistisch in die Zukunft blickt.

Alte Welt, neue Erwartungen

Früher waren die Abläufe eingespielt. Einheitliche Prozesse, über Jahre bewährt. Doch die Welt dreht sich weiter: Mandanten, die keine Papierbelege mehr wollen, neue Geschäftsmodelle, erst digitale Rechnung, dann E-Rechnung, Fachkräftemangel, nicht zuletzt die Umstellung auf Cloud-basierte Anwendungen. Die Liste ist lang.

Mit zunehmender Dynamik des Wandels stieg auch der Druck intern: Mitarbeiter, die schon komplett digital unterwegs waren, arbeiteten anders als diejenigen, die sich noch in der Umstellungsphase befanden. „Wir hatten zum Beispiel die Herausforderung, dass die Prozesse in der Finanzbuchhaltung nicht mehr einheitlich liefen – das machte eine spontane Vertretung schwierig“, erinnert sich Irina Heitmeyer. Wer für eine Kollegin einspringen sollte, war teilweise mit anderen Abläufen konfrontiert. „Da merkt man: Oh, jetzt wird’s herausfordernd.“

"Es wird erst mal nur anders, nicht automatisch besser. Das enttäuscht."
Irina Heitmeyer, Partnerin bei Wortmann & Partner

Etablierte Strukturen begannen zu knirschen. So hielt die Kanzlei lange an Papierrechnungen fest. „Einer unserer Mandanten schmunzelte immer, wenn ich damit um die Ecke kam“, erinnert sich Heitmeyer. Digitalisierung einfordern und selbst mit einem Papierausdruck zum Mandanten kommen? 2023 stellte die Kanzlei ihr Rechnungssystem komplett um.

Intern bedeutete das, Prozesse neu zu denken, Verantwortung zu verschieben, Strukturen zu verändern. Es gab Fragen, Unverständnis, technische Hürden und – Frust. „Einige Kollegen dachten, jetzt läuft alles von allein. Aber so war es nicht. Es war erst mal nur anders, nicht automatisch besser. Das enttäuscht“, sagt Heitmeyer. Doch die Startprobleme gingen vorüber. Nach zwei Monaten teilte ein großer Mandant mit, dass die Rechnungen sauber eingespielt worden seien. „Das war der Moment, in dem alle wussten: Jetzt läuft’s!“

An Widerständen wachsen

Für Irina Heitmeyer sind solche Umstellungen mehr als Technikprojekte – sie verändern auch sie selbst. Veränderungen lassen sie wachsen, auch schwierige. Sie hat für sich einen klaren Weg gefunden: Problem erkennen, Ziele setzen, Prozesse umstellen, gemeinsam vorangehen. Doch der Wandel wirkt auch ins Team hinein: Mit jedem neuen Prozess verändert sich das Miteinander. Die Zusammenarbeit wird enger, aber auch Spannungen treten deutlicher zutage. Manche Kollegen ziehen von Beginn an mit, andere prokrastinieren. Dann ist Überzeugungsarbeit gefragt. „Wir haben gelernt, Aufgaben differenzierter zu betrachten“, sagt Heitmeyer. „Nicht jeder muss alles können – aber jeder muss wissen, was er tut.“ Und wenn es mal knirscht, „setzen wir uns zusammen, lassen uns die Sorgen erklären und erläutern noch mal die Vorteile“. Unterm Strich, so die Steuerberaterin, gebe es deutlich mehr Vor- als Nachteile.

Das Beispiel von Wortmann & Partner verdeutlicht: Digitaler Wandel ist kein Ausnahmezustand, sondern Normalität. Auftretende Schwierigkeiten gehören dazu, sind aber nicht unlösbar und immer lehrreich. Was nicht funktioniert, wird abgeschaltet. Manches braucht mehr Zeit. „Wir hatten Tools getestet, die für uns noch nicht reif waren – wie etwa MyDATEV Kanzlei. Aber wir wissen: Das kommt. Und dann sind wir vorbereitet.“

Derzeit überarbeitet die Kanzlei Prozesse in der Jahresabschlusserstellung und testet KI-Tools. „Ich sage meinen Kollegen immer: ,Im Moment läuft es so – aber es wird sowieso wieder anders.‘“ Angst davor hat Irina Heitmeyer nicht. Und wenn mal ein Projekt scheitert, wird die Erfahrung nicht verdrängt, sondern bewertet. Denn das, worauf es wirklich ankomme, sei der Mensch. „Der steht nach wie vor im Mittelpunkt der Steuerberatung.“

 

Die Kanzlei

Die Wortmann & Partner PartGmbB in Rheda-Wiedenbrück gibt es seit 1957. Heute beschäftigt sie 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zu ihren Schwerpunkten gehören unter anderem die Begleitung von Unternehmensnachfolgen sowie die Betreuung von Start-ups.