Portrait Markus Munz und Christian Neuser

Die neo Kanzlei treibt technologische Innovation im gesamten Team konsequent voran. Künstliche Intelligenz (KI) kommt überall dort zum Einsatz, wo sie im Alltag spürbaren Nutzen bringt: bei der BWA-Analyse, in der Mandantenkommunikation oder zur Effizienzsteigerung. Wie der Einstieg gelingt und worauf es dabei ankommt, erklärt Geschäftsführer Eugen Müller.

DATEV magazin: Herr Müller, warum setzen Sie in Ihrer Kanzlei so konsequent auf KI-Lösungen?

Eugen Müller: Wir verstehen KI nicht als Option, sondern als logische Weiterentwicklung unseres Arbeitens. Die entscheidende Frage ist für uns nicht: Wo könnten wir KI einsetzen? Sondern: Gibt es überhaupt noch Bereiche, in denen sie nicht helfen kann? Unser Alltag zeigt: Vom Meeting-Protokoll über die fachliche Recherche bis hin zur Mandatskommunikation unterstützt uns KI in fast allen Bereichen. Nicht vollautomatisch, sondern als Assistent, der uns Zeit spart, Qualität sichert und uns neue Möglichkeiten eröffnet.

Wie begeistern Sie Ihr Team dafür?

Indem wir Einstiegshürden abbauen. Unsere Mitarbeitenden testen KI-Lösungen an echten Fällen. Erst wird eine Aufgabe klassisch bearbeitet, dann mit KI. Anfangs dauert das länger, aber schnell zeigen sich Effizienzgewinne. Wir tauschen Erfahrungen praxisnah aus, in kleinen Runden. So entsteht eine Lernatmosphäre, in der ständig neue Anwendungsfälle entstehen.

Sie entwickeln auch eigene KI-Assistenten. Wie funktioniert das?

Wir wollten einen Einstieg, der möglichst viele Mitarbeitende abholt, und haben uns für die BWA-Analyse entschieden. Heute laden wir die BWA in unseren Assistenten, nutzen einen definierten Prompt – und erhalten in zwei Minuten eine fundierte Analyse. Vorher dauerte das rund 30 Minuten pro Fall, bei 1.000 Mandaten schlicht nicht machbar. Jetzt ist es Alltag. Und das Beste: Ich bin kein Technikexperte, kann aber trotzdem eigene GPTs erstellen. Das zeigt, wie niedrigschwellig der Einstieg inzwischen ist.

Sie setzen auch auf KI-Lösungen von DATEV. Welche Rolle spielt die DATEV KI-Werkstatt für Ihre Kanzlei?

Natürlich nutzen wir KI-basierte Lösungen, oft so selbstverständlich, dass man sie gar nicht mehr bewusst als solche wahrnimmt. LEXchat und der Einspruchsgenerator aus der DATEV KI-Werkstatt gehören ebenso dazu wie Prototypen wie DATEV-GPT oder der Summarizer. Wichtig ist für uns: Wir probieren solche Lösungen aktiv aus, tauschen uns darüber aus und sammeln gezielt Erfahrungen. Denn auch, wenn der Markt viel bietet, gilt für uns: Gibt es eine Lösung von DATEV, ist sie meist die bessere Wahl, weil sie integriert ist. Externe Tools bedeuten oft Medienbrüche und damit mehr Aufwand. Das ist keine Nettigkeit, sondern praktische Kanzleirealität.

Wie sichern Sie die Qualität der Ergebnisse?

Wer KI regelmäßig nutzt, kommt nicht darum herum, sich damit auseinanderzusetzen: Wie funktioniert sie, wann ist sie verlässlich, wie prüfe ich die Ergebnisse? Ich lasse mir zum Beispiel ein BFH-Urteil zusammenfassen und vergleiche das Ergebnis mit den offiziellen Leitsätzen. So wird die Qualität Schritt für Schritt besser. Wichtig ist: Es ist ein Prozess. Nicht ein Prompt, ein Ergebnis – fertig. Man muss nachjustieren, prüfen, weiterfragen. Wer denkt, es klappt auf Anhieb, wird enttäuscht. Dann heißt es schnell: „KI bringt nichts.“ Dabei liegt es oft nicht an der KI – sondern an der Art, wie man sie nutzt.

Wie steht es um den Datenschutz?

Datenschutz hat bei uns höchste Priorität, sowohl mit als auch ohne KI. Die Standards bleiben unverändert hoch. Dank branchenspezifischer Lösungen können wir sicher arbeiten. Wichtig ist uns dabei: Mandanten wissen, dass wir KI nutzen, ohne dass wir jeden Fall im Detail erklären. Diese Transparenz schafft Vertrauen. Viele Mandanten begrüßen den KI-Einsatz ausdrücklich, manche erwarten ihn sogar. Für sie wäre es unverständlich, wenn wir noch wie vor zehn Jahren arbeiten würden.

Was raten Sie Berufskollegen, die jetzt über den Einstieg in KI nachdenken?

Einfach machen. Nicht auf den perfekten Moment warten oder alles durchplanen. Nehmen Sie einen echten Fall, probieren Sie ein KI-Tool aus, und schauen Sie, was passiert. Klar, am Anfang kostet das Zeit. Aber ohne diese Erfahrung wird sich nichts verändern. Und wenn Mitarbeitende merken, dass es funktioniert, kommt die Motivation von allein. Dann entwickelt sich das Thema fast wie von selbst weiter.

Die Kanzlei

Die neo Kanzlei, gegründet 2023, begleitet mit 150 Mitarbeitern an neun Standorten den Mittelstand aktiv durch die digitale Transformation. Mit strategischer Beratung, technologischem Know-how und unternehmerischem Denken gestaltet sie den Wandel nachhaltig mit.

Los geht's ins KI-Zeitalter

Fünf Schritte, die Steuerberatungskanzleien dabei helfen, künstliche Intelligenz in ihre täglichen Arbeitsprozesse zu integrieren:

  1. Strukturen überdenken: Prüfen Sie, ob Ihre Kanzlei noch stark auf einzelne Berufsträger ausgerichtet ist. Wenn alle Entscheidungen zentral getroffen werden, kann KI ihr Potenzial nicht entfalten. Fördern Sie Eigenverantwortung und dezentrale Entscheidungswege.
  2. Verantwortung im Team tragen: Befähigen Sie Ihre Mitarbeiter, digitale Werkzeuge eigenständig zu nutzen. Nur so lässt sich der Mehrwert von KI-Lösungen bei der täglichen Arbeit wirklich ausschöpfen.
  3. Praxisnah einsteigen: Nutzen Sie bereits existierende KI-Anwendungen wie DATEV-GPT in Kombination mit LEXchat. Wählen Sie konkrete fachliche Anfragen aus dem Kanzleialltag als Testfälle – etwa eine Mandanten-E-Mail mit einer komplexen steuerlichen Frage.
  4. Antworten effizient entwickeln: Verwenden Sie die KI zur inhaltlichen Recherche und zur Formulierung von Antworten. Auch wenn die KI nicht direkt die Lösung liefert, hilft sie oft, relevante Quellen zu identifizieren und schneller zur fundierten Antwort zu gelangen.
  5. Kanzleistil integrieren: Trainieren Sie die KI auf Ihre individuelle Kanzleikommunikation: Lassen Sie sich beispielsweise E-Mail-Antworten formulieren – im Ton und Stil Ihrer Kanzlei. So wird die KI nicht nur zur Recherchehilfe, sondern auch zum Kommunikationsassistenten.

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Prompting in der Steuerkanzlei

Prompting ist die Fähigkeit, einer künstlichen Intelligenz (KI) wie DATEV GPT durch gezielte Eingaben („Prompts“) präzise Arbeitsaufträge zu erteilen, sei es zur Texterstellung, Ideenfindung oder zur Analyse von Inhalten. Im Kern geht es darum, mit einem KI-gestützten Sprachmodell zu kommunizieren, als wäre es ein digitaler Assistent. Je besser man diesen Assistenten instruiert, desto brauchbarer sind die Ergebnisse.