Die Wahl von Friedrich Merz zum neuen Bundeskanzler war der Startschuss. Der von Union und SPD ausgehandelte Koalitionsvertrag soll nun zügig umgesetzt werden und durch Gestaltungen im Bereich der Steuerpolitik Impulse setzen für die stagnierende Wirtschaft. Mit welchen Änderungen bei der Einkommensteuer zu rechnen ist, zeigt der nachfolgende Überblick.
Einkommensteuertarif und Soli
Die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen soll zur Mitte der Legislaturperiode gesenkt werden. Wie dieses Vorhaben in die Tat umgesetzt werden soll, ist jedoch noch nicht beschrieben. Wirft man einen Blick in die Wahlprogramme, wird deutlich, dass die Parteien unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie eine Reform der Einkommensteuer ausgestaltet werden könnte. Die CDU/CSU etwa fordert eine Erhöhung des Grundfreibetrags beziehungsweise der Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz und eine generelle Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Die SPD hingegen strebt in ihrem Wahlprogramm an, die große Mehrheit der Steuerzahlenden zu entlasten und dafür die Spitzeneinkommen und -vermögen durch Erhöhung des Spitzensteuersatz von 42 auf 47 Prozent sowie einer „Reichensteuer“ zur Kasse zu bitten. Dies lehnt die Union jedoch bislang ab. Es ist also offen, welchen Kompromiss die Parteien finden werden. Einig geworden ist man sich zumindest beim Solidaritätszuschlag – dieser soll unverändert bestehen bleiben. Alles Weitere sei laut Bundeskanzler Merz nicht fix, der die Einkommensteuer nur dann senken will, wenn es der öffentliche Haushalt hergebe. Insgesamt stehen alle angestrebten Maßnahmen unter einem Finanzierungsvorbehalt. Bis auf weiteres bleibt auch das heiß diskutierte „Ehegattensplitting“ bestehen. In der Vergangenheit hatte es bereits mehrfach Versuche gegeben, es umzugestalten. Zur Abschaffung zugunsten einer Individualbesteuerung findet man im Koalitionsvertrag nichts.
Eltern und Kind
Weiter ist beabsichtigt, die Schere zwischen der Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge und dem Kindergeld schrittweise zu verringern. Durch eine gesetzliche Regelung soll sichergestellt werden, dass bei einer Erhöhung des Kinderfreibetrags auch eine adäquate Anhebung des Kindergelds erfolgt. Die finanzielle Lage von Alleinerziehenden soll durch eine Anhebung oder Weiterentwicklung des Entlastungsbetrags verbessert werden. Und auch beim Elterngeld sind Änderungen vorgesehen. Geplant ist, die Auszahlungsbeträge zu erhöhen und gleichzeitig die Einkommensgrenze sowie Mindest- und Höchstbetrag anzuheben.
Steuererleichterungen für Arbeitnehmer
Auch die Bekämpfung des Fachkräftemangels steht auf der Agenda. Hier will die Regierung auf Maßnahmen zu Steuererleichterungen setzen: „Mehrarbeit soll sich lohnen“ – wer freiwillig mehr arbeitet, soll davon auch steuerlich profitieren. Deshalb sollen Zuschläge für Überstunden steuerfrei gestellt werden, die über die tariflich vereinbarte oder an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinaus geleistet werden. Zahlen Arbeitgeber Prämien zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeit auf dauerhaft an Tarifverträgen orientierte Vollzeit, sollen auch diese Prämien steuerlich begünstigt werden. Geplant sind weiter zusätzliche finanzielle Anreize für ein freiwilliges längeres Arbeiten in Form einer sogenannten Aktivrente. Arbeitnehmer, die das gesetzliche Rentenalter erreichen und freiwillig weiterhin tätig sind, sollen ihr Einkommen bis zu 2.000 EUR pro Monat steuerfrei erhalten. Fehlanreize und Mitnahmeeffekte will man selbstverständlich vermeiden. Die Koalition prüft deshalb die Nichtanwendbarkeit der Regelung bei Renteneintritt unterhalb der Altersgrenze für die Regelaltersrente, die Beschränkung auf Einkommen aus sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen sowie die Anwendung des Progressionsvorbehalts.
Arbeitnehmerpauschale
Darüber hinaus wird die Einführung einer neuen Arbeitnehmerpauschale geprüft. Sie soll die Werbungskosten zusammenfassen. Dazu zählen unter anderem Fahrtkosten zur Arbeit, Ausgaben für das Home-Office und sogar Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer. Eine Unterscheidung zwischen einem echtem häuslichen Arbeitszimmer und der Arbeit aus dem Home-Office würde dadurch jedenfalls entfallen. Um Härten für Fernpendler zu vermeiden, soll gleichzeitig eine Sonderregelung geprüft werden, um gefahrene Kilometer zusätzlich mit einer fixen Kilometerpauschale anrechnen zu können. Welche anderen Werbungskosten darüber hinaus absetzbar bleiben, wäre noch zu klären. Jedenfalls würde der Wegfall von detaillierten Einzelnachweisen eine Vereinfachung der Steuererklärungen mit sich bringen. Bei einer Integration der Arbeitnehmerpauschale in den Lohnsteuerabzug müsste eine Vielzahl von Arbeitnehmern gar keine Steuererklärung mehr abgeben – dies wäre eine große bürokratische Entlastung.
Pendlerpauschale
Die einzig klar formulierte Maßnahme im Koalitionsvertrag ist die Erhöhung der Pendlerpauschale. Ab 2026 soll sie bereits vom ersten Kilometer an 38 Cent betragen. Derzeit liegt die Pauschale für die ersten 20 Kilometer Wegstrecke von der Wohnung zum Arbeitsplatz bei 30 Cent pro Kilometer, erst ab dem 21. Kilometer können 38 Cent geltend gemacht werden. Abzuwarten bleibt, wie sich die geplante Arbeitnehmerpauschale auf die Pendlerpauschale auswirkt. Die Pendlerpauschale wird ohnehin von vielen Seiten kritisch gesehen. Zum einen sei sie sozial ungerecht, da vor allem gutverdienende Berufspendler entlastet werden, während einkommensschwache Arbeitnehmer mit längeren Fahrwegen kaum profitieren. Zum anderen kritisiert das Bundesumweltamt, dass durch die Pauschale Anreize für längere Arbeitswege geschaffen würden, die damit zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen führen. Dies sei klimaschädlich und deshalb nicht mehr zeitgemäß. Unter diesen Gesichtspunkten sei eine Erhöhung der Pendlerpauschale eher ein fragwürdiges „Geschenk“ an die Steuerpflichtigen.
Ehrenamt und Gemeinnützigkeit
An verschiedenen Stellen wird im Koalitionsvertrag davon gesprochen, das ehrenamtliche Engagement zu unterstützen und stärker würdigen zu wollen. Dafür sollen die Übungsleiterpauschale von 3.000 Euro auf 3.300 Euro und die Ehrenamtspauschale von 840 Euro auf 960 Euro angehoben werden. Dies soll die Attraktivität ehrenamtlicher Tätigkeiten erhöhen und zu einer finanziellen Entlastung führen.
Förderung von E-Autos
Die neue Regierung hat auch das Ziel, E-Fahrzeuge zu fördern. Stellen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern ein Dienstfahrzeug auch zur privaten Nutzung zur Verfügung, müssen diese den sogenannten geldwerten Vorteil auf Basis des Bruttolistenpreises versteuern. Bei E-Autos mit einem Bruttolistenpreis bis zu 70.000 Euro beträgt die Bemessungsgrundlage für die Steuer nur ein Viertel des Preises. Diese Bruttopreisgrenze soll auf 100.000 Euro angehoben werden. Außerdem sollen E-Autos bis 2035 von der Kfz-Steuer befreit bleiben. Die Bundesregierung hat am 04.06.2025 zudem einen ersten Gesetzentwurf für ein „Gesetz für ein steuerliches Investitionssofortprogramm zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland“ vorgelegt. Neu eingeführt werden soll eine spezielle Abschreibung für reine Elektrofahrzeuge im Anlagevermögen, die im Zeitraum vom 30.06.2025 bis Ende 2027 neu angeschafft werden. Im Anschaffungsjahr ist eine Abschreibung in Höhe von 75 Prozent möglich, in den fünf Folgejahren reduziert sich die Höhe der Abschreibung kontinuierlich auf jeweils 10, 5, 5, 3 und 2 Prozent. Sie soll unabhängig von Fahrzeugklassen gelten und damit neben Personenkraftwagen auch Elektronutzfahrzeuge wie E-Lastkraftwagen und E-Busse begünstigen.
Resümee
Insgesamt fallen die Reaktionen auf den Koalitionsvertrag gemischt aus. Begrüßt wird vor allem das Vorhaben zum Bürokratieabbau. Wirtschaft und Steuerexperten fordern das schon lange. Im Übrigen hat die Koalition das Rad aber nicht neu erfunden. Die steuerlichen Pläne sehen zwar einige Entlastungsmaßnahmen für Privathaushalte vor, aber diese sind nur sehr vage formuliert. Gründe sind zum einen Meinungsverschiedenheiten bei der Ausgestaltung, zum anderen Bedenken hinsichtlich der Finanzierung. Denn Pendlerpauschale und Reform des Einkommensteuertarifs würden ein riesiges Loch im Bundeshaushalt hinterlassen. Eine Umsetzung dieser Vorhaben ist ohne Neuverschuldung oder Steuererhöhungen nicht denkbar. Dies zeigt auch die erste Steuerschätzung für die kommenden Jahre, die schlechter als erwartet ausfiel. Ob und wie viel mehr Geld jeder Einzelne im Ergebnis mehr im Portemonnaie haben wird, ist noch nicht absehbar. Die kalte Progression und der Mittelstandsbauch werden Gehaltserhöhungen weiter neutralisieren. Daran kann dann auch eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro nichts ändern.
Christina Vosseler
Steuerberaterin sowie Partnerin bei Forvis Mazars in Berlin