Steuerpflichtige können gemäß § 200a Abs. 1 Abgabenordnung (AO) nach Ablauf von sechs Monaten ab Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung in einem schriftlich oder elektronisch zu erteilenden Mitwirkungsverlangen mit Rechtsbehelfsbelehrung zur Mitwirkung aufgefordert werden. Der Anknüpfungspunkt ist nach dem Gesetz nicht der Beginn der Prüfung, sondern die Prüfungsanordnung. Kommt es also zu Verzögerungen bei dem Beginn der Prüfung, sei es durch das Finanzamt, den Prüfer, oder den Steuerpflichtigen, läuft also schon die 6 Monatsfrist. Damit scheint es losgelöst von der Frage, ob und wer Verzögerungen verursacht oder zu vertreten hat, der Wille des Gesetzgebers ist zu sein, dass Prüfungen generell ab Zugang der Prüfungsanordnung dann zumindest nach Ablauf von 6 Monaten besonders schnell vorangetrieben werden können sollen. Andererseits hat das hohe wirtschaftliche Konsequenzen allerdings nur für den Steuerpflichtigen. Damit entsteht ein erhebliches wirtschaftliches Risiko bei nicht fristgemäßer Beantwortung von Anfragen, wenn man nur auf den Zeitablauf abstellt (so etwa Maerz, in Klein, AO-Kommentar, 18. Aufl., § 200 AO Rn. 4). Nimmt man allerdings die Formulierung des Gesetzgebers „qualifiziertes Mitwirkungsverlangen“ auf, impliziert dies eine Art Eskalationsstufe. Danach ist für dieses sogenannte qualifizierte Mitwirkungsverlangen das ursprüngliche Vorlageverlangen eine Art Grundlagenbescheid nach dem Sinn und Weck des Gesetzes, da die qualifizierte Maßnahme nach dem Gesetz nur dann in Betracht kommt, wenn der Steuerpflichtige bisher noch nicht oder nicht ausreichend mitgewirkt hat. Wurde der Steuerpflichtige von der Finanzbehörde auf diese Möglichkeit hingewiesen, etwa in einer Anlage zur Prüfungsanordnung, und kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nicht oder nicht hinreichend nach, ist nach § 200a Abs. 1 Satz 2 AO keine weitergehende Begründung mehr erforderlich, meint die Finanzverwaltung. Das wirkt irgendwie holprig und auch unverständlich, wenn etwa nur in der Prüfungsanordnung selbst oder in einer Anlage auf die Möglichkeit eines solchen qualifizierten Mitwirkungsverlangens pauschal hingewiesen wurde und es dann später ohne nähere Begründung entgegen § 121 AO zur Anwendung kommt. Richtigerweise muss ein einfaches Mitwirkungsverlangen erfolglos geblieben sein und die Finanzbehörde muss im Rahmen ihres Entschließungsermessens darlegen und begründen, warum das einfache Auskunft- oder Vorlageverlangen oder eine Erinnerung an die Füllung noch offener Fragen im konkreten Einzelfall nicht ausreichen soll (vergleiche ebenso Baum in AO-I Kommentar, § 200 AO Rn. 5; Seer in Tipke Kruse, § 200 a Rn. 9: „Stufenverhältnis“).

Gefährliches Instrument

Das qualifizierte Mitwirkungsverlangen ist gemäß § 200a Abs. 1 S. 4 AO innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe zu erfüllen. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann diese Frist verlängert werden. Die Gefährlichkeit dieses Instruments liegt darin, dass man sich anfangs vielleicht keine Gedanken darüber macht oder nichts damit anfangen kann, weil es wie eine allgemeine, anlasslose Belehrung wirkt, etwa in einer Anlage zur Prüfungsanordnung, in der auf diese mögliche Maßnahme pauschal hingewiesen wird. Umso überraschender ist es dann, wenn später unter Hinweis auf diese Belehrung ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen ausgesprochen wird mit der Folge, es innerhalb einer Monatsfrist erfüllen zu müssen. Ob einem qualifizierten Mitwirkungsverlangen ein normales Mitwirkungsverlangen stets vorausgehen muss, ist im Gesetz nicht klar beschrieben. Jedenfalls lässt sich aus Normtext nicht entnehmen, dass das qualifizierte Mitwirkungsverlangen eine Eskalationsstufe zu einem ursprünglichen Verlangen sei, das unerfüllt blieb. Nach Sinn und Zweck der Norm im Kontext zu den normalen Prüfungsverlangen nach § 200 AO müsste man allerdings ein solches Stufenverhältnis als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal annehmen.

Fallbeispiel

Bei einer Betriebsprüfung steht eine EuCaSoft-Kasse im Fokus. Der Prüfer moniert sogenannte Sessionlücken. Er kann die Lücken nicht nachvollziehen und verlangt deshalb eine Verfahrensdokumentation. Der Steuerpflichtige legt daraufhin ein eigene Verfahrensdokumentation vor. Dies aber reicht dem Betriebsprüfer nicht aus, er fordert vielmehr eine Verfahrensdokumentation zur Programmierung der EuCaSoft-Kasse. Der Steuerpflichtige erwidert, dass er die Kasse nicht programmiert habe, sondern dies vom Hersteller der Kasse vorgenommen worden sei; daher müsse sich der Prüfer die gewünschten Programminformationen vom Hersteller holen. Dies wiederum sieht der Betriebsprüfer anders; er ist der Ansicht, dass der Steuerpflichtige auch für die eingesetzten Programme und Maschinen deren Funktionsweise erläutern und dies in einer eigenen Verfahrensdokumentation darstellen müsse. Der Steuerpflichtige erklärt ein weiteres Mal, dass er dies nicht leisten könne. Daraufhin wird er vom Prüfer im Rahmen eines qualifizierten Mitwirkungsverlangens aufgefordert, die Darstellung der Kassenprogrammierung sowie die Erklärungen, warum es zu Sessionlücken kam, vorzulegen. Der Steuerpflichtige weigert sich und legt Einspruch gegen dieses qualifizierte Mitwirkungsverlangen ein. Er verweist darauf, dass der Hersteller der Kasse in mehreren Produktbeschreibungen das Entstehen von Sessionlücken beschrieben hat und er, der Steuerpflichtige, dazu nichts sagen könne.

Die Kassenproblematik

In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage, ob die Prüfungsanfrage überhaupt berechtigt ist beziehungsweise der Steuerpflichtige diese wirklich beantworten kann. Ist der Steuerpflichtige tatsächlich in der Lage, Auskunft über die Programmierung seiner Kasse und deren System zu geben? In der Praxis jedenfalls kann kaum ein Steuerpflichtiger die Anpassung eines Kassenprogramms auf seine betrieblichen Verhältnisse vornehmen, sondern beauftragt dafür den Kassenaufsteller. Dieser übernimmt im Regelfall die Anpassungen für den Betrieb im Rahmen eines sogenannten Customizings. Diese betriebsbezogene Anpassung, etwa mit Blick auf Produktpalette, Name des Betriebs, Steuernummer usw., führt der Kassenaufsteller aus. Die Grundprogrammierung der Kasse aber nimmt selbst dieser nicht vor, da das Kassenprogramm direkt beim Hersteller der Kasse aufgespielt wird. Der Steuerpflichtige kann die entsprechende Programmierung des Herstellers tatsächlich weder darstellen noch im Detail erläutern, er ist letztlich nur Anwender.

Rechtliche Würdigung

Im voranstehenden Fall wird der Steuerpflichtige erkennen müssen, dass der Prüfer auf einer Verfahrensdokumentation besteht, die allerdings vom Steuerpflichtigen nicht erfüllt werden kann. Ein Antrag auf Fristverlängerung, um die gewünschte Dokumentation vorzulegen, scheidet daher aus, denn der Steuerpflichtige kann auch nach einer x-beliebigen Frist die Programmierung nicht erläutern. Im Fall der EuCaSoft hat zwar die Herstellerin, die Fa. Itas zahlreiche Programmbeschreibungen und Erläuterungen zu den Sessionlücken veröffentlicht. Aber die eigentliche Programmierung wird sie nicht herausgeben. Der Steuerpflichtige kann also nur zur Erläuterung auf die Veröffentlichungen des Herstellers verweisen und diese vorlegen. Er kann seine Kasse auch von einem Spezialisten untersuchen lassen, der die normale Einrichtung der Kasse bestätigt und aus seiner Sicht keine quantitative Auffälligkeit in den Sessionlücken beschreiben wird. Dem Steuerpflichtigen droht nach Ablauf der Monatsfrist infolge des qualifizierten Mitwirkungsverlangens gemäß § 200a Abs. 2 AO ein Mitwirkungsverzögerungsgeld, das sich für jeden Tag des vermeintlichen Nicht-Mitwirkens empfindlich aufsummieren kann. Aus diesem Grund kommt im skizzierten Fall lediglich ein Einspruch gemäß § 347 AO in Betracht, der sachgerecht zu begründen ist, gegebenenfalls verbunden mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

Handlungsempfehlungen

Bei einer Betriebsprüfung kann es nicht selten zu mehreren Mitwirkungsverlangen kommen. Daher empfiehlt es sich, jede Prüfungsanfrage sorgfältig abzuarbeiten und sich die vollständige Beantwortung der dort gestellten Fragen und Vorlageverlangen durch den Prüfer mit Datum quittieren zu lassen. Sind bei einer Prüfungsanfrage noch nicht alle Punkte beantwortet, sollte man sich die teilweise beantworteten Fragen als erledigt abzeichnen lassen.

Soweit auf der Anfrage nicht „qualifiziertes Mitwirkungsverlangen“ steht, empfiehlt sich zur Klarstellung die schriftliche Rückfrage, ob es sich um ein solches handelt. Darüber hinaus sollte der Steuerpflichtige bei einem qualifizierten Mitwirkungsverlangen stets prüfen, ob es sinnvoll beziehungsweise sogar notwendig ist, fristgemäß und schriftlich Einspruch dagegen einzulegen – dies gerade dann, wenn er keinen Anlass gegeben hatte, ihm eine Verzögerung vorzuwerfen. Unabhängig davon ist natürlich zu auch prüfen, ob man gegebenenfalls eine Fristverlängerung beantragen sollte, um die jeweiligen Prüfungsanfragen beantworten zu können, sofern die Fristen zu knapp gesetzt waren, insbesondere dann, wenn recherchiert werden muss, Gutachter, Sachverständige beauftragt werden sollen und man dann von der fristgemäßen Abarbeitung Dritter abhängig ist. Ein Überschreiten von gesetzten Fristen ist jedenfalls unbedingt zu vermeiden. Dann kann einem auch nicht vorgeworfen werden, man hätte innerhalb der gesetzten Frist die aufgeworfenen Fragen mehrfach nicht beantwortet. Und einem qualifizierten Mitwirkungsverlangen wäre so die rechtliche Grundlage entzogen.